Brixton Hill: Roman (German Edition)
dein Telefon ausgeschaltet?«
»Ich hab das GPS ausgeschaltet.«
»Wann?«
»Vorhin?«
»Aber nicht das Handy?«
»Nein.«
»Dann wissen sie, wo du bist.«
»Im Ernst?« Sie nahm es in die Hand und sah es nachdenklich an.
»Klar. Sie orten das Handy. In welche Funkmasten es sich einwählt. GPS ausschalten ist nett, bringt aber nichts. Nimm den Akku raus. Besorg dir ein neues. Ohne Vertrag.«
»Das heißt, ich kann hier auch nicht bleiben?«
Er überlegte. »Es könnte ja sein, du wolltest im Suff nachsehen, ob Alan nicht doch noch lebt. Oder mir dein Beileid aussprechen.« Er setzte sich zu ihr an den Küchentisch, sah sie lange an.
»Ich kann nicht mehr.« Em war selbst überrascht, dass sie das sagte.
»Versteh ich.« Jay nahm ihr das Handy ab. Während er den Akku rausnahm, sagte er: »Hör zu, du kannst bei mir auf der Couch pennen. In Alans Zimmer willst du bestimmt nicht schlafen, und das zweite Schlafzimmer oben ist unser Technikraum. Das klingt ein bisschen großspurig. Aber da stehen unsere Server und sonst noch ’ne Menge anderer Kram. Couch okay?«
»Klar«, sagte Em, war sich aber nicht ganz sicher. Allerdings hatte sie keine Wahl. Es sei denn, sie ging in ein Hotel, wo sie unter falschem Namen eincheckte. Aber dann wurde sie möglicherweise von jemandem erkannt … Sie hatte tatsächlich keine Wahl.
»Willst du was trinken? Oder essen?«
Sie zuckte die Schultern. »Wasser.«
Er stand auf und holte eine Plastikflasche aus dem Kühlschrank. »Das Leitungswasser würde ich nicht trinken. Sie tun gerade alles, um uns hier rauszuekeln.«
»Wer?«
»Braidlux. Diese Baufirma. Die haben wahrscheinlich gute Beziehungen zu den Wasserwerken. Und zu den Stadtwerken. Und zu sämtlichen Ämtern.« Er lachte. »Braidlux ist das nächste Thema, mit dem ich mich beschäftigen werde. Ich hatte in letzter Zeit zu viele andere Aufträge, was ja gut ist, aber jetzt muss ich mich endlich um das kümmern, was vor der Haustür ist. Allerdings«, fügte er nachdenklich hinzu, »wollte sich Alan da schon ein wenig mit befassen.«
»Du meinst den Papierkram für den Verkauf? Haben sie euch ein Angebot gemacht? Oder ist das Haus gemietet?«
»Es gehört mir, Alan war sozusagen mein Mieter.«
»Und die Konditionen sind schlecht?«
»Die sind verdammt gut.«
»Und warum …«
»Vergiss es. Nicht dein Problem.«
»Soll ich mal drüberschauen? Ich meine, wenn du dich noch nicht damit beschäftigt hast, vielleicht kann ich helfen?«
»Ich will nicht verkaufen«, sagte Jay.
»Aber wenn du mehr bekommst, als du investiert hast, warum …«
»Bitte. Vergiss es einfach.«
Sie wechselte nur allzu gern das Thema. »Wenn es Alan nicht war … wer ist dann hinter mir her?«
»Keine Ahnung. Ich kenn dich nicht. Ich weiß nicht, welche Leichen du im Keller hast.«
»Nicht lustig.«
»Sorry.«
»Ich hab vorhin einen Tweet abgesetzt.« Sie erzählte es ihm.
»Schon eine Antwort bekommen?«
Sie zeigte auf ihr zerlegtes Telefon. »Ich konnte noch nicht nachsehen.«
»Wie ist dein Twittername?«
Em sagte ihn ihm, und er gab ihn auf seinem Handy in die Suchfunktion ein. Jay schien konzentriert zu lesen.
»Findest du was?«
»Ja. Moment.«
»Was denn? Kann ich mal sehen?«
»Moment.« Er tippte auf dem Touchscreen herum. Dann endlich sagte er: »Jemand hat dir schon vor zwei Tagen komisches Zeug geschrieben.«
»Ja. Und jetzt?«
»Gerade vor zehn Minuten. Gegen fünf.«
»Zeig mal.«
Er legte sein Telefon auf den Tisch. Sie zog es zu sich und starrte auf die Anzeige.
»Wir werden dich finden. Erwarte uns «, las sie vor. »Wir?«
»Da will jemand wie Anonymous klingen.«
»Anonymous.«
»Ja. Erwarte uns. Expect us . Kommt in jeder Anonymous-Botschaft vor. We are Anonymous . We are Legion. We do not forgive. We do not forget. Expect us . Wir sind Anonymous. Wir sind unzählige. Wir vergeben nicht. Wir vergessen nicht. Erwarte uns .«
»Was habe ich denn bitteschön mit dieser Organisation zu tun? Sind das nicht alles Hacker? Ich kenne niemanden, der da Mitglied ist. Also, nicht dass ich wüsste. Oder, warte. War Alan vielleicht Mitglied? Ich meine, so als Hacker.«
»Anonymous hat keine Mitglieder und ist auch keine Organisation, sondern ein Kollektiv. Jeder ist Anonymous. Oder eben nicht. Es gibt keine Struktur, keine Hierarchie, keine Mitgliedschaft.«
»Schade. Einen Moment lang dachte ich, ich gehe zur Polizei, die lassen sich die Mitgliederliste mailen, und dann arbeiten sie sich durch.«
Jay
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