Brockmann Suzanne
überrascht, niederzuschlagen, damit er so schnell wie möglich abhauen kann. Nein, es tut mir leid, Colleen. Ich weiß, dass du gern etwas anderes glauben möchtest, aber diese Frau ist mutwillig zusammengeschlagen worden. Und wenn ich das weiß, ist das auch der Polizei klar. Die Geschichte mit dem Einbrecher haben sie sicherlich für die Presse erfunden, damit der Täter sich in Sicherheit wähnt.“
„Das ist aber nur eine Vermutung von dir. Du weißt das nicht sicher.“
„Natürlich nicht, da hast du recht. Ich weiß es nicht mit Sicherheit, aber ich bin mir zu neunundneunzig Prozent sicher. So sicher, dass ich fürchte, du als Rechtsberaterin der Aids-Hilfe könntest das nächste Opfer sein. So sicher, dass ich weiß, dass du heute nicht allein mit einem Transporter durch die Gegend fahren solltest.“
Er biss die Zähne aufeinander und funkelte sie an. Der Zorn in seinen Augen ließ sie kalt wirken, und Colleen hatte das Gefühl, neben einem Fremden zu sitzen.
Vielleicht stimmte das sogar.
„Oh. Verstehe.“ Ärger kochte in Colleen hoch. Was ging es ihn an, was ihr passierte? Schließlich war sie einfach nur eine dumme Gans, die sie beide gestern Abend in Verlegenheit gebracht hatte. Sie war lediglich eine Freundin. Nein, nicht mal das: In Wirklichkeit war sie nur die lästige Schwester eines Freundes. „Soll ich mich etwa in meiner Wohnung einschließen, nur weil es Leute geben könnte, denen nicht gefällt, was ich tue? Tut mir leid, aber das mache ich nicht.“
„Ich habe mit einigen Leuten gesprochen“, erklärte Bobby. „Sie gehen offenbar davon aus, dass dieser John Morrison, der dich gestern bedroht hat, eine ernste Gefahr darstellt.“
„Einige Leute?“, fragte sie zurück. „Welche Leute? Wenn du mit Mindy aus dem Büro gesprochen hast – vergiss es. Sie hat Angst vor ihrem eigenen Schatten. Und Charlie Johannsen ist kein …“
„Schau mir in die Augen“, unterbrach Bobby sie, „und sag mir, dass du absolut keine Angst vor diesem Mann hast.“
Sie sah ihn an – und wandte den Blick ab. „Okay. Du hast recht. Vielleicht habe ich ein ganz klein wenig …“
„Und trotzdem fährst du mutterseelenallein durch die Gegend.“
Sie lachte ihm ins Gesicht. „Und das sagst ausgerechnet du! Du tust ja nie was, wovor du ein bisschen Angst hast. Zum Beispiel aus einem Flugzeug springen. Oder in haiverseuchten Gewässern schwimmen. Das fällt dir ganz besonders schwer, nicht wahr, Bobby? Wes hat mir erzählt, dass du eine Heidenangst vor Haien hast. Und trotzdem tust du das – du springst ins Wasser, ohne zu zögern. Du stellst dich deiner Angst und lebst dein Leben. Tu doch nicht so, Bobby Taylor! Und bitte erwarte nicht von mir, dass ich es weniger tue.“
Er bemühte sich sehr um Geduld. „Ich bin für solche Einsätze ausgebildet.“
„Ja, stell dir vor, ich bin eine Frau“, gab sie zurück. „Ich bin auch sozusagen ausgebildet. Ich habe mehr als zehn Jahre Erfahrung gesammelt. Das reicht von subtilen sexuellen Anspielungen bis hin zu offenen Drohungen. Weil ich eine Frau bin, habe ich fast immer ein bisschen Angst, in der Stadt auf die Straße zu gehen. Und doppelt so viel Angst bei Nacht.“
Er schüttelte den Kopf. „Das ist aber nicht dasselbe. Du kannst das nicht mit den klaren und sehr eindeutigen Drohungen vergleichen, die ein Mann wie John Morrison ausstößt.“
„Nicht? Wirklich nicht? Ich sehe das nämlich deutlich anders. Weißt du, es ist mir schon passiert, wenn ich an einer Gruppe Männer vorbeimusste, die auf den Treppenstufen ihres Mietshauses herumlungerten, dass einer von denen sagte: He, Süße, willst du … “ Sie sprach es aus. Es war unglaublich vulgär, und Bobby zuckte tatsächlich zusammen. „ Komm her , sagen sie, damit ich dir geben kann, was du willst. “
Sie schwieg einen Moment, um ihre Aussage sacken zu lassen. Bobby wirkte angemessen beschämt. „Schau dich um, Bobby – du wirst keine Frau finden, der noch nichts in dieser Art passiert ist“, fuhr sie ruhiger fort. „Wenn irgendein Mann, ein völlig Fremder, so etwas zu dir sagt, dann wirst du ein bisschen, nur ein ganz klein bisschen nervös, wenn du deine Wohnung verlässt. Und wenn dir auf deiner Straßenseite ein Mann entgegenkommt, dann reagierst du leicht angespannt oder bekommst es vielleicht sogar mit der Angst zu tun. Wird er dich dumm anmachen? Wird er dir womöglich nachgehen? Oder wird er dich nur mustern, vielleicht anerkennend pfeifen und dir mit Blicken zu
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