Brockmann Suzanne
alleine laufen konnte.
Der Arzt war gekommen und hatte eine letzte, fürchterliche Diagnose gestellt – das Ende war nah.
Nichtsdestotrotz waren Daisy und Jake damit fortgefahren, ihre Vermählung zu feiern. Sie tranken Champagner, während sie die Sonnenuntergänge von Daisys Atelier aus betrachteten, und Jake trug Daisy überall hin, wo sie hin wollte. Wenn er trauerte, so tat er es stets so, dass sie nichts davon mitbekam.
Und dann, drei Tage nach Weihnachten, waren Daisy und Jake abends gemeinsam schlafen gegangen. Doch am nächsten Morgen war nur Jake erwacht.
Einfach so, von einem Moment auf den nächsten, war Daisy von ihnen gegangen.
Am Abend waren sie alle noch zusammen gewesen. Nell hatte sich eine Tasse Tee gekocht, als Jake mit Daisy auf dem Arm seinen Kopf in die Küche gesteckt hatte, um gute Nacht zu sagen. Crash kam gerade in seinen Laufsachen von draußen rein. Obwohl Nell angeboten hatte, ihm auch eine Tasse Tee zu machen, hatte er kurz nach Daisy und Jake die Küche verlassen und war hinaufgegangen. Seit der Hochzeitsnacht gab er sich große Mühe, möglichst nie mit ihr alleine zu sein.
Aber am nächsten Morgen war er in ihr Zimmer gekommen, hatte sie aufgeweckt und ihr gesagt, dass Daisy im Schlaf gestorben sei – friedlich und ohne Schmerzen.
Dieser Tag und der nächste waren an ihr vorbeigegangen wie ein böser Traum.
Jake hatte seiner Trauer freien Lauf gelassen, genau wie Nell. Crash hingegen hatte, wenn überhaupt, in seinem Zimmer geweint.
Zur Totenwache kamen beinahe die gleichen Leute, die noch kaum eine Woche zuvor die Hochzeit besucht hatten. Senatoren. Kongressabgeordnete. Navyoffiziere.
Washingtons Elite.
Gleich vier Leute hatten Nell ihre Visitenkarte in die Hand gedrückt. Man wusste schließlich, dass sie nicht nur eine Freundin, sondern gleichzeitig auch ihren Arbeitsplatz verloren hatte. Nell versuchte, sich einzureden, dass es eine freundliche Geste war. Doch trotzdem kam sie sich vor, als würde sie in einem Haifischbecken schwimmen. Eine loyale persönliche Assistentin war schwer zu finden. Da kam es manch einem gelegen, dass sie nun auf Jobsuche war.
Senator Mark Garvin hatte volle zehn Minuten lang darüber gesprochen, dass seine Frau händeringend eine gute persönliche Assistentin suche. Immerhin wäre die Wahl nur noch ein paar Monate entfernt, und sie täte sich schwer, all ihre Verpflichtungen unter einen Hut zu kriegen. Nell hatte es über sich ergehen lassen, bis Dex Lancaster ihr zu Hilfe geeilt war und sie aus Garvins Klauen befreit hatte.
Und trotzdem war die Totenwache sehr stimmungsvoll gewesen. Genau wie auf der Hochzeit war Lachen ertönt, als jeder von seiner Lieblingserinnerung an Daisy Owen-Robinson berichtet hatte.
Auch die Beerdigung war eine fröhliche Feier ihres erfüllten Lebens gewesen. Daisy hätte das sicher gefallen.
Aber die ganze Zeit hindurch hatte Crash geschwiegen. Er hatte zugehört, aber niemals geantwortet. Er erzählte keine Geschichte, er lachte nicht und weinte nicht.
Einige Male war Nell kurz davor gewesen, zu ihm zu gehen und seinen Puls zu fühlen, nur um sicherzustellen, dass er noch lebte.
Er hatte eine solche Distanz zu seiner Außenwelt, der Trauer und den Menschenmengen um ihn herum aufgebaut. Sie war sich sicher, dass er auch jeglichen Kontakt zu seinen Gefühlen unterbunden hatte.
Das war nicht gut. Das war gar nicht gut. Glaubte er denn wirklich, dass er seine Emotionen, seine Trauer und Wut für immer in sich einschließen konnte?
Nell stand auf und nahm ihre Socken aus der Schublade, um sie im Koffer zu verstauen. Ebenso schnell wie Daisy gestorben war, passierten nun auch andere Dinge. Schon morgen würde sie die Farm verlassen. Ihr Job hier war beendet.
So gerne sie auch geblieben wäre, sie konnte nicht umhin zu hoffen, dass Crash sich seine Trauer eingestehen würde, sobald er mit Jake alleine war.
Ihre Lieblingssocken waren neben dem Koffer gelandet, und als sie sich bückte, um sie aufzuheben, bemerkte sie, dass die Fersen durchgescheuert waren. Der Anblick brachte sie zum Weinen. Für jemanden, der früher nie, niemals geweint hatte, hatte sie dieser Tage extrem nah am Wasser gebaut.
Sie legte sich mit dem Rücken aufs Bett, hielt die zusammengerollten Socken gegen ihre Brust gepresst und ließ ihre Tränen in ihre Ohren laufen.
Sie hatte diese Farm geliebt. Sie hatte gerne hier gearbeitet und gerne hier gelebt. Sie hatte Jake und Daisy geliebt, und sie liebte …
Nell setzte sich auf und
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