Brodecks Bericht (German Edition)
Lüftchen. Die Schwalben am Himmel wirkten erschöpft und schienen langsamer als sonst zu kreisen. Ein kleines, fast durchsichtiges Wölkchen in der Form eines Stechpalmenblattes trieb einsam weit oben am Himmel. Noch nicht einmal das Vieh rührte sich. Die Hähne hatten nicht gekräht, die Hühner hockten stumm und reglos da und suchten in den staubigen Erdlöchern, die sie in die Hühnerhöfe gescharrt hatten, nach einer kleinen Abkühlung. Katzen lagen dösend auf der Seite, die Pfoten ausgestreckt, im Schatten der Toreinfahrten. In den halbgeöffneten Schnauzen waren ihre spitzen Zungen zu sehen.
Als ich an der Schmiede vorbeiging, hörte ich drinnen lautes Gerumpel. Gott räumte ein bisschen auf und verursachte dabei einen Höllenlärm. Als er mich sah, bedeutete er mir, ich solle warten, und kam zu mir herüber. Die Schmiede hatte Ruhetag. Kein Feuer brannte, und Gott war gewaschen und gekämmt. Sein Oberkörper war ausnahmsweise nicht nackt, und er trug auch nicht die übliche Schürze, sondern ein sauberes Hemd und eine hochgeschnittene Hose mit Hosenträgern.
«Was sagst du dazu, Brodeck?»
Ich zuckte die Achseln, weil ich nicht verstand, ob er die Hitze, den Anderen , die Karte mit dem Rosenduft oder sonst etwas meinte.
«Ich sag dir eins, es wird noch gewaltig krachen, das kannst du mir glauben!»
Gott ballte die Fäuste beim Sprechen und biss die Kiefer aufeinander. Seine von dem Pferdehuf entstellte Lippe bewegte sich, als gehörte sie gar nicht zu ihm, und sein roter Bart sah aus wie ein brennender Busch. Er war erheblich größer als ich und musste sich bücken, um mir ins Ohr zu sprechen.
«So kann das nicht weitergehen, und das ist nicht nur meine Meinung! Du hast doch studiert, du bist gebildeter als wir: Wie wird das enden?»
«Keine Ahnung, Gott, lass uns den Abend abwarten, dann werden wir sehen.»
«Warum den Abend?»
«Du hast doch auch das Kärtchen bekommen. Um sieben Uhr wissen wir mehr.»
Gott wich zurück und musterte mich eindringlich, als hätte er einen Verrückten vor sich.
«Was erzählst du mir da von einem Kärtchen, ich meine die verdammte Sonne. Seit drei Wochen jetzt brennt sie uns auf den Schädel! Ich kann noch nicht mal mehr arbeiten, weil ich ersticke. Was soll das, ein Kärtchen?»
Ein Stöhnen war aus dem hinteren Teil der Schmiede zu hören, und wir wandten gleichzeitig die Köpfe. Dort lag der dünne Ohnmeist, streckte sich und gähnte.
«Ihm geht es noch am besten von uns allen», sagte ich zu Gott.
«Ich weiß nicht, ob es ihm am besten geht, aber auf jeden Fall ist er am faulsten.»
Wie um die Worte des Schmieds zu bestätigen, bei dem er sich zurzeit einquartiert hatte, legte der Hund den Kopf auf die Vorderpfoten und schlief ruhig wieder ein.
Die Sonne stach. Aber dieser Tag war nicht wie die anderen, denn die Stunden des Nachmittags waren vollkommen bedeutungslos, alles erwartete mit Spannung den Abend. Ich weiß noch, dass ich an jenem Tag, nachdem ich wieder daheim war, nicht mehr aus dem Haus ging. Ich brachte Ordnung in die vielen Aufzeichnungen, die ich in den Monaten davor über die Bewirtschaftung der Wälder gemacht hatte. Es ging um den Rauminhalt der Parzellen, um die bereits erfolgten und anstehenden Einschläge, um Verjüngung und Sämlinge, die nötigen Durchforstungen der Hochwälder, die Holzgerechtigkeit und die Holzzuteilungen. Auf der Suche nach einem kühlen Ort hatte ich mich für diese Arbeit im Keller eingerichtet, aber selbst dort, wo normalerweise eiskaltes Schwitzwasser die Wände herunterläuft, stand klebrige, drückende Luft, die kaum kühler war als in den übrigen Zimmern. Über meinem Kopf hörte ich von Zeit zu Zeit Poupchette lachen, die von Fédorine in eine Holzwanne mit frischem Wasser gesetzt worden war. Lange und unermüdlich spielte sie kleiner Fisch, während neben ihr Emélia am Fenster saß, die Hände flach auf den Knien, der leere Blick in die Ferne gerichtet, und ihr melancholisches Lied vor sich hin sang.
Als ich wieder aus dem Keller nach oben kam, aß Poupchette, deren Haut durch das Abrubbeln ganz rosig geworden war, gerade einen großen Teller Gemüsebrühe mit Möhren und Kerbel.
«Geh raus, mein Papa? Geh raus?», rief sie mir zu, als sie sah, dass ich mich zum Ausgehen fertig machte. Sie rutschte von ihrem Stuhl, rannte auf mich zu und warf sich in meine Arme. «Ich bin bald wieder da», versprach ich, «dann liegst du schon im Bett, und ich gebe dir einen Kuss. Sei schön brav!» – «Brav,
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