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Broken (German Edition)

Broken (German Edition)

Titel: Broken (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Kyle Williams
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Seinen Bauch vielleicht und seine Größe. Er war schwarz gekleidet. Keine Knöpfe. Ein Pullover oder so. Er war nicht dick, aber auch nicht durchtrainiert. Der Pullover hat sich über dem Bauch gespannt.»
    Ich dachte an Cash Tilison in der Jeans. Eindeutig durchtrainiert. «Und dann hat er so auf dich gezeigt? Mit Daumen und Zeigefinger?»
    Sie schüttelte wieder den Kopf. «Er hat nicht bloß gezeigt. Er hat gezielt und dann den Abzug gedrückt. Wie bei einer Pistole. Oder als wollte er sagen: Ich krieg dich . Er hatte Handschuhe an. Solche, die Leute mit Ansteckungsphobie in Großpackungen in der Apotheke kaufen. Die waren richtig weiß im Vergleich zu seiner Kleidung.»
    «Und dann hast du aufgeschaut, stimmt das? Du hast mir erzählt, er hat da gestanden und dich angesehen. Hattest du die Stiftlampe noch in der Hand?»
    «Ich hab sie fallen lassen und bin von der Veranda gerannt.» Sie starrte in ihren Grog. «Ich hab gekotzt.»
    Ich nickte. Ich hatte die Berichte heute Abend auf dem Präsidium gelesen. Die Uniformierten hatten ihren Schlüsselbund unter dem Fenster gefunden. Arme Miki. Ich hätte sie jetzt gern in den Arm genommen. Wieso fiel mir das so schwer? Wieso zum Teufel hatte mir meine Mutter das nicht beigebracht? Ich grübelte einen Moment darüber nach. Meine Mutter, die Retterin wilder Katzen. Eigentlich aller möglichen Tiere, aber je wilder, desto besser. Soweit ich zurückdenken konnte, hatte meine Mutter Katzen schonend gefangen, zum Tierarzt gebracht und dann überaus verwirrt in unserer Nachbarschaft wieder ausgesetzt. Die herumstreunende, größtenteils menschenscheue Kolonie gehörte in Winnona Park längst dazu. Die Zahlen waren mit den Jahren gesunken. Neue Katzen kamen gelegentlich hinzu, und dann begann Mutter ihre voodoomäßige Verführung mit Hühnerleber und Makrelen, bevor die Falle zuschnappte und die Tiere in der Tierarztpraxis am Ende der Straße landeten, wo sie sterilisiert oder kastriert wurden. Bis heute tauchten wilde Katzen jeden Morgen bei meinen Eltern auf der Veranda auf und warteten in einigen Metern Sicherheitsabstand auf ihr Frühstück, das sie erst anrührten, wenn meine Mutter wieder verschwunden war. Sie kamen jeden Abend zurück, wenn sie ihre Stimme und Schüsselklappern hörten. Mutter behielt die Übersicht und sorgte sich um sie, diese Geschöpfe, die sie niemals berühren oder im Arm halten konnte.
    Plötzlich hatte ich eine Erkenntnis – einen echten Geistesblitz. Ich nahm mir vor, mit Dr. Shetty darüber zu reden. Meine Mutter wollte Lebewesen retten, ohne ihnen zu nahe kommen zu müssen – Liebe ohne Nähe. Genau das hatte sie mit Jimmy und mir gemacht – ihren wilden Kindern. Sie hatte uns vorgelesen und sich von uns aus ihren Lieblingsbüchern vorlesen lassen, wenn wir uns nach der Schule alle zusammen auf das breite Bett legten, das sie mit meinem Vater teilte. Sie hatte Snacks vorbereitet, wenn wir von der Schule kamen. Sie reinigte unsere aufgeschlagenen Knie und achtete darauf, dass wir ordentlich lernten und gut gekleidet waren. Sie brachte uns abends ins Bett und erzählte uns spannende Geschichten aus ihrer Kindheit an den würzig nach Brackwasser riechenden Ufern des Albemarle Sound. Ich hatte bereits eine Verbindung zu Wasser aufgebaut, noch ehe ich den Sound oder das Meer oder Salzsümpfe je gesehen hatte. Mutters Geschichten und ihre volle Stimme hatten mich verzaubert und verändert. Aber ich konnte mich nicht erinnern, dass Emily Street mich je spontan umarmt hätte. Nicht ein einziges Mal. Von einer Südstaatenfrau lernt man eine ganz besondere Art von Zurückhaltung.
    Ich dachte daran, wie mein Bruder Jimmy und ich als Kinder im Pyjama auf dem Rücken lagen, zu dem an die Decke geklebten Sonnensystem hochschauten, das im Dunkeln leuchtete, und uns erzählten, was wir mal werden wollten. Jimmy meinte, wenn ich Superheldin werden wollte, müsste ich dazu geboren worden sein, daher begnügte ich mich damit, Cop zu werden. Wenn abends nach dem Lichtausmachen die Sterne an unserer Decke aufleuchteten, hörte ich Jimmys leise Stimme «wow» sagen, als sähe er sie zum ersten Mal. Dann kam er zu mir ins Bett gekrochen, und wir flüsterten uns in den Schlaf. Jimmy wollte Tänzer werden. Ich fragte mich, wie nach diesem Kindheitstraum aus ihm ein Werbefachmann werden konnte. Er war vor Jahren weggezogen, und seitdem beschränkte sich unsere Beziehung auf Besuche an Feiertagen, kurze Telefonate und E-Mails. Ich wusste inzwischen kaum noch, was

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