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Broken Lands

Broken Lands

Titel: Broken Lands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Milford
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sie Walter Mapp, ohne die Augen vom Himmel abzuwenden.
    Hunderte, Tausende von bleichen Lichtbögen schossen von Ost nach West und erstarrten dann. Strahlende Punkte, gefolgt von ausufernden Schweifen. Hunderttausend Kometen, gefangen in der Nacht wie Insekten in Bernstein. Aber das waren keine Kometen.
    Nur mit Mühe fand Jin die verschwommene Anordnung von Sternen, die ihr Onkel den «Nördlichen Scheffel» nannte und Mr. Burns den «Großen Wagen». Die Punkte, die die Deichsel beschrieben, sahen aus wie verschmierte Tintenflecken. Es gab noch andere vertraute Bilder, Konstellationen, die sie in den langen Nächten auf der weiten Prärie des Mittleren Westens studiert hatte. Es war, als ob die Sterne vor ihren Augen an ihren Platz gehuscht wären und sie irgendwie die Spuren ihres Flugs sehen konnte.
    Jin merkte, dass Mapp ihr nicht geantwortet hatte. Sie schaute zu dem Klavierspieler hinüber. Er starrte nördlich den Fluss entlang, den Hut tief in die Stirn gezogen, als ob er kein Wort gehört hätte.
    Sie rieb sich die Augen. Der Wind schlug auf sie ein. Langsam verblassten die Streifen, aus ihren müden Augen gestrichen oder vom Wind verweht. Nur der mit Sternen gespickte Himmel blieb übrig. Alles war wieder an seinem Platz.
    Die Böen fuhren um sie herum. Es glitzerte. Das Licht funkelte auf und erstarb, immer am Rand ihres Blickfelds. Sie hatte sich so fest die Augen gerieben, dass sie nun bunte Lichter sah. Oder vielleicht hatte der Wind irgendeinen Tiegel oder einen Krug umgeworfen – mit Zucker, Salz oder Muschelsand, sie wusste es nicht – und nun wehten die Partikel durch die Luft und fingen hier und da das Licht des Feuers ein. Oder vielleicht war es auch tatsächlich Sternenstaub, der sie umwirbelte wie ein Tornado.
    Mapp saß mit dem Rücken zu ihr, so still wie eine Statue. Und dann, wieder aus dem Augenwinkel, glaubte Jin in dem Schimmern ein Gesicht zu sehen. Sie drehte den Kopf. Das Gesicht verschwand. Dann machte sie auf der anderen Seite eine Gestalt aus. Auch sie verpuffte, als sie hinsah.
    Der Wind frischte auf, und diesmal hörte Jin, wie die Gestalt ihr etwas zuflüsterte.
    «Was?» Der Klang ihrer eigenen Stimme schreckte sie auf. Sie hatte nicht laut sprechen wollen.
    Das Rauschen des Windes wurde immer lauter, und da war es wieder, dieses geflüsterte Wort. Sie hörte es, und dann hörte sie sein Echo, eine metallische Vibration von den mächtigen Kabeln, die sich über den East River zogen.
    Fangshi .
    Dann war es vorbei, und die Luft war wieder still, genauso wie die Tragkabel. Jin stand allein da, umringt von ihren Raketen. Sie schaute hinab zu ihren Füßen, bückte sich und berührte die feine Schicht aus grauem Glitter auf den Steinen, rieb ihn zwischen ihren Fingern.
    Muschelschalen, so fein gemahlen wie Mehl. Sie blickte über die Schulter und sah das leere Gefäß in eine Spalte zwischen zwei Granitblöcken rollen.
    «Mr. Mapp?»
    Er reagierte sofort. «Ja?»
    Ich verliere den Verstand .
    Entweder das, oder es waren die ersten Anzeichen einer Arsenvergiftung von dem Rubinschwefel. So oder so, es ließ sich nicht ändern.
    Das Blähen muss weich und tief sein . «Schon gut.»
    «Brauchst du etwas?» Mit knackenden Knochen stand Mapp auf. «Kann ich irgendetwas für dich tun?»
    «Nein.» Jin schüttelte den Kopf und widmete sich wieder den Raketen. Ihr tiefes Atmen und die tröstliche Vertrautheit der Arbeit gaben ihr ein gutes Gefühl. Es war Zeit, die Stadt aufzurütteln und den Himmel bunt zu anzumalen.
    Sie grinste. Es war Zeit, etwas in die Luft zu jagen.
    Zuerst kam das Pfeifen, das Schwirren der Raketen, die himmelwärts flogen. Dann die Blumen aus blendender Helligkeit vor dem nächtlichen Dunkel, die plötzliche atemberaubende Explosion von Feuer, das Niederfallen von zischenden Farben. Am Ende ein Knall, dessen Klang so langsam wanderte, dass er eine Schnecke war im Vergleich zu dem hasengleich flinken Licht.
    Jins Fanfare erschallte in der Nacht, es zischte und pfiff, und Rauch zog durch die Luft, ehe das wilde Leuchten begann. Das Pfeifen war noch etliche Sekunden lang zu hören, dann kam der Knall. Und die ganze Zeit diese unaussprechliche Farbenpracht über den Köpfen der Menschen, wie Blumen, wie Wasserfälle, wie eine in Brand gesetzte Welt, wie das Jüngste Gericht.
    Und dann war es vorbei. Auf dem gegenüberliegenden Turm blinkte Constantines Laterne viermal auf. Jin nahm ihre eigene Laterne und winkte zurück. Und dann, mehr als tausend Fuß voneinander

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