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Brombeersommer: Roman (German Edition)

Brombeersommer: Roman (German Edition)

Titel: Brombeersommer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dörthe Binkert
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immer einer mitgehört, der einen nur zu gern verpfiff.
    »Du hast deine Sprache wiedergefunden«, sagte Karl beeindruckt. »Du warst schon immer ein Mann der Bücher, auch früher schon. Ich male die Buchstaben, und du fügst sie zu Wörtern und Texten. Willst du auch selbst schreiben?«
    Martin schüttelte den Kopf. »Nicht so wie diese Schriftsteller.So begabt bin ich nicht. Aber ich möchte zur Zeitung. Ich bin fast fertig mit dem Studium und hoffe, ich komme wo unter. Marlies hat die ganze Zeit über das Geld für uns verdient. Jetzt werde ich sie hoffentlich bald ablösen. Seit einiger Zeit schreibe ich schon nebenher Artikel. Eine feste Stelle im Feuilleton wäre mein Traum.« Er lachte und schlug Karl leicht auf die Schulter. »Ja, du hattest es schon immer mit der Ästhetik. Du warst vernarrt in Schriften. Hast du nicht, wann immer du ein paar Minuten für dich hattest, geschrieben, mit Feder und Tusche?«
    Sie waren viel zusammen gewesen. Karl sah Martin wieder vor sich: in Fliegermontur, die Fliegerbrille auf der Stirn. Er hat sich schon angeschnallt, winkt, nur einmal, leicht, aus dem Handgelenk. Dann schließt er die Haube der Focke-Wulf. Ein letzter Abschied, jedes Mal. Er säte Tod und würde eines Tages den Tod ernten und nicht mehr mit der hart aufsetzenden Maschine über den buckligen Landeplatz holpern. Eines Tages würde es ihn erwischen. Karl war kein Optimist, das war er nie gewesen. Aber nun saß Martin hier mit ihm und Edith am Tisch, unverletzt, voll Tatendrang. Er ist stärker als ich, dachte Karl voll Bewunderung.
    »Dass du das noch weißt«, sagte er lächelnd. »Das Schreiben hat mich beruhigt. Es war, als ob ich im Verfassen der Buchstaben Ruhe fände. Ich schrieb an der ›Weise von Liebe und Tod des Cornet Christoph Rilke‹.«
    »Natürlich, das war es! Du hattest sogar richtig gutes Papier. Mein Gott, wie du da bloß drangekommen bist?« Martin sah konzentriert an die Decke. »›Reiten, reiten, reiten, durch den Tag durch die Nacht durch den Tag.Reiten, reiten, reiten. Und der Mut ist so müde geworden und die Sehnsucht so groß.‹ War es nicht so?«
    »Ja«, antwortete Karl und fuhr fort: »›Es gibt keine Berge mehr, kaum einen Baum. Nichts wagt aufzustehen. Fremde Hütten hocken durstig an versumpften Brunnen. Nirgends ein Turm. Und immer das gleiche Bild. Man hat zwei Augen zu viel. Nur in der Nacht manchmal glaubt man den Weg zu kennen.‹«
    »Du hast Glück gehabt, dass das niemand gelesen hat«, sagte Martin, »das hätte dich den Kopf kosten können.« Er sah Karl, dann Edith an, lächelte und fügte hinzu: »Aber wir sind alle drei noch da.«
    Edith gab sich große Mühe mit dem Abendbrot. Die hart gekochten Eier hatte sie geköpft und einen Hut aus Tomate daraufgesetzt. Weil die abgeschnittenen, gewürfelten Eistückchen nicht auf der Tomate hielten, setzte sie Mayonnaisetupfer auf die Fliegenpilzhüte. Dazu gab es Radieschen und frisches Brot mit Butter.
    Martin hatte eine Flasche Rheinwein mitgebracht. Sie redeten lange, fast bis ihnen die Augen zufielen.
    »Hast du nicht auch ein Instrument gespielt?«, fragte Karl, der sich dunkel erinnerte.
    Martin gähnte entspannt und streckte die Beine aus, zog sie aber gleich zurück. Er hob die Tischdecke und sah rasch nach. Edith hatte die Schuhe ausgezogen. Sie hatte weiche, hübsche Füße, und Martin schaute gleich wieder weg.
    »Ein Instrument? Ja   … ich habe Geige gespielt. Aber ich bin nicht mehr besonders gut. Der Krieg. Man hat ja so lange nicht geübt, Jahre nicht. Manchmal hole ich sie raus,aber meine Frau macht sich nichts aus klassischer Musik. Mir fehlt die Anregung, wieder mehr zu spielen, jemand, mit dem ich zusammen spielen könnte.« Martin zuckte die Achseln.
    »Da kenne ich jemanden, dem es wohl ähnlich geht«, meinte Karl und legte den Arm um Edith.
    Edith nahm Karls Hand von ihrer Schulter. »Du hast klassische Musik ja gern«, sagte sie ohne Zärtlichkeit. Sie sah Martin an. »Aber es wäre tatsächlich schön, mit jemandem musizieren zu können, mit jemandem, der die gleiche Leidenschaft empfindet.« Sie hielt inne, sprach dann weiter. »Aber es ist spät. Wir sollten jetzt schlafen gehen.«
    »Du kannst bei unseren Freunden schlafen«, ergriff Karl das Wort, als die Stille andauerte. »Sie sind verreist und haben uns den Schlüssel gegeben. Man ist schnell dort. Theo und Viola wohnen nur eine Viertelstunde zu Fuß von hier.«
    »Aber ich kann auch gern das Sofa beziehen«, sagte Edith schnell.

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