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Brombeersommer: Roman (German Edition)

Brombeersommer: Roman (German Edition)

Titel: Brombeersommer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dörthe Binkert
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sollten.«
    Aus dem Kofferradio auf der Theke drang die Stimme des singenden Kellners Vico Torriani. Versonnen betrachtete Viola eine bauchige, bastumhüllte Chiantiflasche auf der Theke.
    »Ich weiß nicht, ob ich im Atelier freinehmen kann«, sagte Karl. »Wäre aber schön.«
    »Und wie kommen wir da runter?«, fragte Theo.
    »Ist ja egal«, meinte Karl, »irgendwie werden wir schon hinkommen.« Er war schon lange nicht mehr so unternehmungslustig gewesen.
    »Abgemacht«, sagte Theo.
    »Jawohl«, nickte Viola zufrieden.
    Sie wanderten und wanderten und tranken abends Steinwein. Sie sahen das Wasserschloss Mespelbrunn, das Wirtshaus von Lichtenau und das Kloster Bronnbach. Und überall tranken sie Frankenwein.
    In Iphofen verhandelte Viola nach dem zweiten Bocksbeutel in weinseliger Laune mit dem Wirt über die Abnahme einer größeren Anzahl von Flaschen. Theo gab zu bedenken, dass sie keinen Koffer dabeihatten, um die vielen Flaschen nach Hause zu befördern, aber von einem so kleinlichen Einwand ließ sich Viola nicht beeindrucken. »Den Wein lassen wir schicken. Nicht wahr«, sagte sie miteinem entwaffnenden Lächeln zum Wirt, »das ist doch kein Problem, ein paar Kisten mit der Bahn zu senden?« Der Wirt setzte sich an den Tisch, machte längere Ausführungen und öffnete darüber eine dritte Flasche auf Kosten des Hauses. Sie wurden handelseinig und wussten am nächsten Morgen nichts Genaues mehr.

36
     
    Als Karl nach Hause kam, erwartete ihn seine Nachbarin mit einem Brief, dessen Empfang sie für ihn bestätigt hatte. Er war von Edith.
    Sie teilte ihm mit, dass Martin Imrod die Beziehung zu ihr abgebrochen habe. »Er will seine Familie nun doch nicht verlassen, obwohl er das immer beteuert hat«, schrieb sie, und Karl glaubte, ihre Bitterkeit noch aus diesen dürren Zeilen herauszuhören. Sein Puls schnellte in die Höhe. Aber was wollte sie, warum erzählte sie ihm das? Das ging ihn doch nun wirklich nichts mehr an.
    »Ich wohne bei Mutti und Marianne und habe endlich auch Arbeit in einer Stempelfirma gefunden. Jetzt kann ich meinen Lebensunterhalt verdienen. Deshalb schlage ich vor, dass wir uns nun auch offiziell scheiden lassen. Auf Unterhaltszahlungen verzichte ich. Ich bin auch bereit, die ganze Schuld auf mich zu nehmen, wenn wir uns auf diese Weise gütlich trennen können, ohne die näheren Umstände vor Gericht ausbreiten zu müssen. Es grüßt dich Edith«
    In der Nacht erlitt Karl eine heftige Nierenkolik. »Ich hätte nicht so viel Steinwein trinken dürfen«, sagte er zu Hermann Gronau und zog eine Grimasse.
    Hermann tätschelte Karls Wange. »Schon gut, mein Lieber. Ist eben dein schwacher Punkt.« Er kramte in seiner Dose nach der passenden Injektion, und als er sah, wie dieFingerknöchel an Karls auf der Decke gefalteten Händen weiß wurden, fragte er: »Bist du sicher, kein Morphium?«
    »Nein«, sagte Karl, »kein Morphium«, und presste die Lippen aufeinander.
     
    Theo sprach mit einem Studienkollegen, der sich als Scheidungsanwalt niedergelassen hatte. »Ihr werdet trotzdem vor Gericht erscheinen müssen«, sagte er vorsichtig zu Karl, als es dem wieder besser ging. »Auch wenn ihr euch gütlich trennt. Kann sein, dass ihr dreckige Wäsche vor dem Richter ausbreiten müsst. Eine Ehe muss ›unheilbar zerrüttet‹ sein, damit sie geschieden wird. Der Richter kann die Scheidung auch verweigern. Stell dich drauf ein, Karlemann, es kann unangenehm werden.«
    »Aber wir sind doch beide mit der Scheidung einverstanden«, sagte Karl gequält. »Es gibt keine Ansprüche, keine Kinder, keinen Besitz zu verteilen   …«
    »Ja, ja«, erwiderte Theo.
    Als feststand, wer der Richter in dem Verfahren sein würde, rief Theo den Richter, den er flüchtig kannte, unter Kollegen an. »Machen Sie es so diskret wie möglich«, bat er. »Karl Osterloh ist mein Freund, ein feiner Kerl, und Edith Osterloh ist keine Schlampe. Es geht auch nicht um finanzielle Ansprüche. Beide wollen es mit Anstand hinter sich bringen, verstehen Sie?«
    »Ich verstehe schon«, sagte der Richter, »aber der Staat braucht Familien und hat sich verpflichtet, diese nach Möglichkeit zu erhalten. Sie können sich nicht vorstellen, wie viele Leute sich in den letzten Jahren haben scheiden lassen. Der Krieg hat viele auseinandergebracht.«
     
    Edith reiste am Vorabend des festgesetzten Scheidungstermins an. Karl war einverstanden, dass Theo und Viola ihr anboten, bei ihnen zu übernachten. Aber das wollte Edith nicht. Sie

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