Brombeersommer: Roman (German Edition)
Ort verreisen, wo sie noch nie gewesen war.
Theo hatte eine Idee, die ihm selbst sehr, Viola aber nur mäßig gefiel. »Was ist denn gegen Würzburg und den Spessart einzuwenden?«, fragte er sie abends im Bett und stopfte sich das Kopfkissen zurecht. »Ich muss sowieso dorthin, und mir wird die Reise wegen des Fortbildungslehrgangs bezahlt. Du könntest nachkommen, mit Karl, wenn er auch Lust hat, und wir könnten ein paar Tage Ferien machen.«
Viola schob Theos Hand, die unter der Decke nach ihrem Bauch tastete, weg. »Das ist langweilig. Mal was anderes, dachte ich, wir könnten doch mal was anderes machen, als immer nur was im Zusammenhang mit deiner Karriere.«
»Aber es ist doch was Neues!«, widersprach Theo. »In der Gegend waren wir noch nie. Wär doch schön, mal in eine Weingegend. Der Frankenwein soll sehr gut sein.« Erunternahm einen neuen Versuch, seine Hand unter ihren Schlafanzug zu schieben, aber Viola setzte sich auf. »Hübscher Pyjama«, versuchte er es schmeichelnd.
»Der Pyjama ist schrecklich.« Viola zog die Knie an. »Ein Geschenk von meiner Mutter. Du denkst immer nur ans Arbeiten, Theo. Ich arbeite auch gern, aber du übertreibst es.«
»Immerhin musst du keine Sorge haben, dass ich unzufrieden bin, eine berufstätige Ehefrau zu haben. Wenn ich der Typ wäre, der abends immer um fünf nach Hause kommt, würde ich dir das Arbeiten verbieten und erwarten, dass du unser schönes Heim in Ordnung hältst.«
»Willst du sagen, ich vernachlässige den Haushalt? Als ob du je nur einen Finger rühren würdest!«
»Ich decke den Tisch. Ich helfe abräumen. Mein Vater hat das nicht gemacht«, gab Theo zurück.
»Karl räumt ab!«, korrigierte ihn Viola und löschte das Licht.
»Karl, kannst du dich nicht mal ein bisschen um Viola kümmern?«, fragte Theo tags darauf, als Karl zum Abendessen kam. »Sie ist grantig in der letzten Zeit. Keine Ahnung, was sie hat. Ich habe vorgeschlagen, dass wir zu Ostern ein paar Tage Ferien in Würzburg und im Spessart machen. Ich bin sowieso dort, fürs Büro. Das wäre doch die Gelegenheit, dass ihr nachkommt.«
Viola knallte die Schüssel mit den Kartoffeln auf den Tisch und sah Karl herausfordernd an. »Na, Karl, dann mach du mir das mal schmackhaft!«
»Kinder, was soll das denn nun wieder. Natürlich arbeitetTheo zu viel, Viola, so isser nun mal. Er hat doch schon früher bei uns zu Hause immer nur Aufgaben gemacht.«
»Da hat er auf deine Schwester Elisabeth gewartet«, sagte Viola giftig.
Theo verdrehte die Augen. »Sag ich es nicht, Karl, sie ist grantig.«
»Quatsch«, antwortete Karl. »Aber du bist wirklich von der Arbeit besessen, Dicker. Das sieht jeder, dazu braucht man nicht mit dir verheiratet zu sein. Aber die Idee mit Würzburg ist doch prima. Tags durch den Spessart wandern und abends Frankenwein trinken. Mir gefällt das.«
»Wenn ihr mich fragt: Frankenwein ist sauer«, sagte Viola, die schon sah, dass die beiden die Oberhand behalten würden.
»Der Frankenwein ist trocken, Viola, nicht sauer.« Karl war ganz entzückt von dem Gedanken, gemeinsam wegzufahren. »Wunderbar. Dann nehme ich den Tucholsky mit, ›Das Wirtshaus im Spessart‹. Und dann lese ich euch vom Steinwein vor.«
»Bist du jetzt bei Tucholsky?«, fragte Theo. »Die Bücher von dem …«
»Genau«, sagte Karl, »›Tiger, Panther und Co.‹. Jetzt können wir sie endlich lesen. Er ist einfach großartig, Theo.«
Viola war überstimmt. Karl und Theo kauften sich Knickerbocker zum Wandern.
»Ihr seht aus wie der englische Landadel«, sagte Simon, der die bestellten Papierkörbe ablieferte und sich für das Wochenende bei Karl einquartiert hatte. »Aber ihr solltet nicht nur die Knickerbocker eintragen, sondern euch auchschon mal vorab mit dem Frankenwein vertraut machen. Wenn ihr wollt, koche ich für euch, und ihr besorgt ein paar Flaschen Bocksbeutel dazu. Manieren müsst ihr euch übrigens auch aneignen. Vielleicht trefft ihr ja einen kirchlichen Würdenträger in Würzburg. Dann muss Viola einen Knicks machen und ›Guten Tag, Euer Merkwürden‹ sagen.«
Viola kicherte. Sie hatte schon zwei Gläschen von Helene Matusseks Eierlikör getrunken, und fast jede Idee wäre ihr jetzt großartig vorgekommen.
35
»Karl, und die Kamera? Hast du die? Mein Gott, wie das regnet! Wenn wir in Würzburg so ein Wetter haben, kannst du das Fotografieren vergessen.«
»Du bist ja ganz zappelig«, lachte Karl.
Viola blieb bei den Rucksäcken, Karl kaufte die
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