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Brombeersommer: Roman (German Edition)

Brombeersommer: Roman (German Edition)

Titel: Brombeersommer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dörthe Binkert
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dann, und stellte den Quark mit Schnittlauch etwas zu heftig in den Kühlschrank, sodass die Gläser und Schüsseln darin klapperten.
    »Was ist denn mit euch los?«, fragte Theo amüsiert.
    »Überhaupt nichts«, gab Viola zur Antwort und hängte sich unten auf der Straße schweigend bei Theo ein.

38
     
    Er gestand es sich nur ungern ein, aber insgeheim hoffte Karl, Inge würde ihm gefallen. Er hatte lange nicht mit einer Frau geschlafen, sie vielleicht auch nicht mit einem Mann. Zum anderen, glaubte er, würden seine Gedanken dann weniger um Viola kreisen. Denn das taten sie, und je mehr er versuchte, sie aus seinem Kopf zu verbannen, umso mehr trieben seine Fantasien ihr Spiel mit ihm.
    Die Fotos, die er im Zug nach Würzburg von Viola gemacht hatte, schenkte er Theo. Aber das war eine halbherzige Anwandlung von Selbstbestrafung, da er die Negative besaß und keine Fotos brauchte, um die Bilder vor sich zu sehen. Viola, die sich weit aus dem Zugfenster lehnt, die Arme breit auf die heruntergezogene Scheibe gestützt, das kleine Kopftuch hat sie im Nacken geknotet. Jetzt wendet sie sich ihm lachend zu. Die helle Landschaft draußen, das Löwenzahngelb scheint Viola zu blenden, sie hat die Augen leicht zusammengekniffen und zieht die Nase kraus. Einmal hält sie die Hand schützend vor die Augen und winkt mit der anderen in die Kamera. Heitere Viola. In einer plötzlichen Anwandlung hatte er ein Porträt von ihren Füßen gemacht. Sie trägt weiße, flache Schuhe mit einem Schleifchen und balanciert auf den Zehenspitzen, die langen Beine verschwinden unter dem glockigen Rock mit Karomuster. In Gedanken folgte Karl Violas Beinenunter den Rock, ließ seine Hand über die glatten Nylonstrümpfe bis zu ihrem breiten Rand gleiten.
    Karl wusste, dass er solche Gedanken nicht haben durfte. Theo war sein bester Freund, keiner war ihm wichtiger, keiner ihm näher, lieber, vertrauter. Mein Gott, Karl, sagte er sich, dir hat schon ein Freund die eigene Frau ausgespannt. Genügt das nicht, um dich zu kurieren? Und doch sah er Violas schmalen Körper, ihre Mandelaugen, undurchdringlich.
    Inge. Wieder würde er mit einem Foto in der Jackentasche auf dem Bahnhof stehen. Und schon hörte er wieder Violas dunkles Lachen, ihr überraschtes, warmes, schnurrendes Lachen, damals auf dem Bahnhof, als er Edith erwartete. Seit jenem Moment, dachte er, habe ich mit beiden gelebt, Edith und Viola.
    Die Wahrscheinlichkeit, dass er Inge nicht wiedererkannte, war groß. Sie war etwas älter als er, zweiunddreißig, dreiunddreißig musste sie jetzt sein. Die Kriegsjahre und mehr als ein Jahrzehnt waren seit der letzten Begegnung vergangen. Was aus ihr wohl geworden war? Wenn er sich recht erinnerte, arbeitete sie während des Krieges in Berlin als Schreibkraft in einem Büro. Über ihre jetzige Tätigkeit hatte sie nichts geschrieben, und offenbar hatte sie keine Kinder.
    Sie wollte ihn in Hannover am Bahnhof abholen. Das war nett, und doch fühlte er sich unbehaglich. Er war ja schon damals nicht richtig in sie verliebt gewesen. Aber nach der Niederlage und dem Schmerz, den Edith ihm zugefügt hatte, war es doch ein schönes Kompliment, dass sie ihn nach so langer Zeit wiedersehen wollte. Eine edleMotivation für ein Wiedersehen war das allerdings nicht, dachte er beschämt.
     
    »Mein Gott, musst du denn immer edel sein«, meinte Theo, als Karl ihm unter vier Augen anvertraute, dass der bevorstehende Besuch bei Inge ihm im Magen lag. »Binde ihr ja nicht gleich auf die Nase, dass du Edith noch nicht verwunden hast«, sagte Theo streng. »Du musst die Geschichte nicht abwürgen, ehe sie überhaupt angefangen hat. Wie du mit der Scheidung fertig geworden bist, geht Inge erst mal gar nichts an. Du bist einfach zu korrekt. Wie dein Vater.«
    »Hm«, machte Karl. Das hieß: Schon gut, brechen wir das Thema ab.
    Aber Theo packte Karl beim Schlips. »Versprich mir, dass du euch wenigstens eine Chance gibst. Du brauchst ja nicht gleich verlobt heimzukommen. Und wenn ich dich daran erinnern darf: In erster Linie fährst du nach Hannover, um deinen Freund Jan wiederzusehen.« Da hatte er recht. »Komm noch eben mit«, fuhr Theo fort, »mir sind die Zigaretten ausgegangen. Weißt du«, setzte er noch einmal an, während er Karl über die Straße lotste, »in Würzburg, bei der Fortbildung, da war eine Kollegin dabei, nach der drehten sich alle um. Eine kesse Biene, sage ich dir. Ich habe es geschafft, beide Tage neben ihr zu sitzen. Die neidvollen

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