Bronzeschatten
Teil wird aus Sardinien und Sizilien importiert; die genaue Menge weiß ich natürlich nicht, aber ein Schreiber im Büro des Versorgungsamts hat mir einmal erzählt, daß Rom pro Jahr fünfzehn Billionen Scheffel Getreide braucht …«
Die Tochter des Senators gestattete sich die Ungezogenheit, durch die Zähne zu pfeifen.
Ich grinste sie an. »Die nächste Frage lautet: Wer ist der eigentliche Drahtzieher bei diesem niederträchtigen Plan – Pertinax oder Crispus?«
»Oh, die Antwort liegt doch auf der Hand!« erklärte Helena mit ihrer raschen, unerschütterlichen Logik. »Schließlich ist Crispus derjenige, der den Flottenkommandanten hofiert.«
»Stimmt. Ich nehme an, ursprünglich steckten beide unter einer Decke, aber jetzt, da Pertinax sich auf Schritt und Tritt Feinde schafft, wird er für Crispus zu einem Sicherheitsrisiko. Die Kornschiffe brechen im April nach Ägypten auf,« Ich rekapitulierte: Nonen des April – Galatea und Venus von Paphos ; vier Tage vor den Iden – Flora ; zwei Tage vor Maibeginn – Lusitania, Concordia, Parthenope und Die Grazien … »Die Hinreise dauert drei Wochen, und zurück – gegen den Wind – brauchen sie gut zwei Monate. Da müßten die ersten doch schon bald wieder zurück sein!«
»Weißt du«, meinte Helena skeptisch, »wenn diese Katastrophe sich wirklich auf dem Wasser abspielt, dann bist du geliefert!« Ich dankte ihr für ihr Vertrauen und ging schneller. »Marcus, wie, glaubst du, werden sie vorgehen?«
»Nun, den Schiffen hier vor der Küste den Weg versperren und damit drohen, sie an einen geheimen Ort zu entführen. Wenn ich an ihrer Stelle wäre, würde ich abwarten, bis der Senat einen störrischen Prätor als Unterhändler schickt, und dann die Säcke schön langsam einen nach dem anderen über Bord werfen. Die Vision vom Golf von Neapolis als gigantischer Schüssel Haferbrei, würde wahrscheinlich bei den Herren in Rom die gewünschte Wirkung erzielen.«
»Ich bin froh, daß du nicht an ihrer Stelle bist. Wer«, fragte sie dann neugierig, »wer hat dich eigentlich beauftragt, diese Getreideimporte zu überprüfen?«
»Niemand. Da bin ich von selber drübergestolpert.«
Aus irgendeinem Grund fiel Helena mir lachend um den Hals.
»Nanu? Wofür ist das?«
»Oh, mir gefällt der Gedanke, daß ich meine Zukunft in die Hand eines Mannes gelegt habe, der so tüchtig ist in seinem Beruf.«
LXVI
Ich beschloß, die Villa Poppaea zu stürmen, während Crispus dort war.
Im Idealfall hätte ich ein solches Wagnis allein in Angriff genommen. Meine Erfahrung als Ermittler würden mich schnurstracks zu den Verschwörern führen, und das natürlich genau in dem Moment, da sie die Einzelheiten ihres niederträchtigen Plans festlegten. Mit solch hieb- und stichfesten Beweisen ausgestattet, würde M. Didius Falco, unser Held und Halbgott, sie überwältigen und eigenhändig der ganzen Bande Halseisen anlegen …
Die meisten Privatermittler brüsten sich mit solchen Idealfällen. Bei mir war da schon immer ein bißchen Sand im Getriebe.
Diesmal fing es damit an, daß Helena, Petronius und Larius, die alle drei schrecklich neugierig waren, unbedingt mitwollten. Wir hatten einen Auftritt wie zweitklassige Tempeltrommler – zu laut und zu spät. Während wir noch auf der Terrasse standen und darüber diskutierten, wie wir am besten ins Haus gelangen könnten, brach die Festgesellschaft auf. Sie kamen zwar direkt an uns vorbei, aber es war trotzdem nicht daran zu denken, sie zu einem Geständnis zu bewegen, ja nicht einmal einen zusammenhängenden Satz hätte man ihnen mehr entlockt.
Crispus selbst führte den Exodus an, die Füße voraus und Gesicht nach unten; er war jenseits von Gut und Böse. Die Sklaven, die ihn zu seinen Skiff brachten, hatten einfach den Eßtisch, über dem er zusammengebrochen war, mitsamt dem Besinnungslosen hinausgetragen und ihn wie ein übriggebliebenes Dessert abgestellt; an einem der Tragegriffe hing sein welker Kranz, vom anderen baumelten seine Schnürbänder. Es würde lange dauern, bis der hohe Herr aufwachte. Und vernehmungsfähig würde er dann nicht sein.
Die Gäste, die Crispus bewirtet hatte, waren der Kommandant vom Flottenstützpunkt Kap Misenum nebst einem Stab seiner Kapitäne. Bei der Marine hat man offenbar eine eiserne Natur. Während der letzten Bürgerkriege hatte auf dem Schwarzen Meer das Piratentum beängstigende Ausmaße angenommen, aber hier an der Westküste war seit den Tagen des Pompejus alles ruhig
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