Bronzeschatten
einer Meinung; die Beweise stützten sich in der Hauptsache auf Indizien. »Wenn ich Pertinax Marcellus festnehmen lasse, könnten vielleicht neue Fakten ans Licht kommen …«
»Ein gewagtes Spiel, Magistrat. Wenn eine Witwe mit nicht mehr als zwei Sesterzen in der Tasche Ihnen diesen Fall vorgetragen hätte, Sie hätten sie nicht bis zu Ende angehört.«
»Oh, das Gesetz ist unbestechlich, Falco!«
»Ja, und die Richter hassen es, Geld zu verdienen! Woher wußte Gordianus überhaupt, daß Pertinax hier ist?«
»Von Crispus. Hören Sie, Falco, ich muß Gordianus ernst nehmen, ob ich will oder nicht. Sie sind doch kaiserlicher Agent; wie bewertet man den Fall in Rom?«
» Ich bin der Meinung, falls Gordianus einen Prozeß erzwingt, dann gibt es eine Schlammschlacht von hier bis zum Kapitol. Aber er könnte trotz der schlechten Beweislage Erfolg haben. Wir wissen beide, daß der Anblick eines gramgebeugten Bruders, der nach Gerechtigkeit und Rache schreit, die Geschworenen zu rühren vermag – am Ende schneuzen sie sich in ihre Togen und fällen den Schuldspruch.«
»Dann soll ich Pertinax also festnehmen?«
»Ich glaube, er hat Curtius Longinus getötet, der vermutlich drohte, ihn zu entlarven. Später versuchte er dann auch Gordianus umzubringen. Das sind schwerwiegende Anschuldigungen. Es geht mir gegen den Strich, ihm zu einer Amnestie zu verhelfen, bloß weil er der Adoptivsohn eines Konsuls ist.«
Aemilius Rufus lauschte meinem Appell mit der Vorsicht und Zurückhaltung, auf die ich bei einem Provinzmagistraten hätte gefaßt sein sollen. Wäre ich das Opfer einer heimtückischen Verfolgung gewesen, die sich nur auf fadenscheiniges Beweismaterial stützte, dann wäre mir seine Gründlichkeit wahrscheinlich willkommen gewesen. So aber hatte ich das Gefühl, wir verschwendeten bloß unsere Zeit.
Wir redeten noch eine geschlagene Stunde um den heißen Brei herum. Am Ende beschloß Rufus, die Entscheidung Vespasian zu überlassen: genau die Art fauler Kompromiß, die mir zutiefst verhaßt war. Wir hielten den nächsten kaiserlichen Kurier an, der durch die Stadt kam. Rufus entwarf einen stilvollen Brief. Ich verfaßte einen knappen Bericht. Wir schärften dem Boten ein, die Nacht durchzureiten. Trotzdem konnte er frühestens morgen bei Sonnenaufgang in Rom sein, aber Vespasian las seine Post gern bei Tagesanbruch. Beim Gedanken an Rom überkam mich Heimweh. Am liebsten wäre ich selber mit der Depesche zum Palatin gerannt.
»Tja. Jetzt können wir nur noch abwarten.« Der Magistrat schwang seinen athletischen Körper hoch, so daß er einen Dreifuß erreichen und uns Wein einschenken konnte. »Da wollen wir doch die Zeit so angenehm wie möglich nutzen, nicht wahr?«
Freiwillig hätte ich mir seine Gesellschaft nicht ausgesucht, und so wäre ich eigentlich lieber gegangen, aber Berichteschreiben macht mich immer furchtbar durstig. Erst recht, wenn der Wein auf Kosten eines Magistrats geht.
Um ein Haar hätte ich einen Besuch in den öffentlichen Bädern vorgeschlagen, aber irgendeine rettende Gottheit bewahrte mich davor. Statt dessen stand ich auf, streckte mich und trat an den Dreifuß, um mir meinen Becher zu holen; dann ließ ich mich überreden, neben ihm auf dem Diwan Platz zu nehmen, damit wir leichter miteinander anstoßen könnten – als die guten Freunde, die wir nicht waren. Aemilius Rufus bedachte mich mit seinem entspannten, strahlenden Lächeln. Ich steckte die Nase dankbar in seinen Falerner, der ausgezeichnet war.
»Wie schade«, sagte er, »daß wir uns so selten gesehen haben, solange Sie meine Schwester unterrichteten. Aber ich habe immer auf eine Gelegenheit gehofft, das nachholen zu können …«
Dann spürte ich seine Rechte auf meinem Schenkel, während er mir vorschwärmte, was für schöne Augen ich hätte.
LXIV
Ich habe nur eine Methode für solche Fälle. Doch bevor ich meine Faust auf sein hübsches delphisches Kinn niedersausen lassen konnte, zog er seine Hand zurück. Jemand, den er offenbar nicht erwartet hatte, trat ins Zimmer.
»Didius Falco, ich bin ja so froh, daß Sie noch da sind!« Klare Augen, blühender Teint und ein rascher, leichter Schritt: Helena Justina, die Wonne meines Herzens. »Rufus, verzeih, ich wollte Fausta besuchen, aber sie ist wohl ausgegangen … Falco, es ist schrecklich spät geworden. Falls Sie auch zurück zur Villa wollen, dürfte ich mich vielleicht unter Ihren Schutz begeben? Natürlich nur, wenn das Ihre Pläne nicht
Weitere Kostenlose Bücher