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Bronzeschatten

Bronzeschatten

Titel: Bronzeschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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meine Anordnungen nicht gerade ihre starke Seite war. »Hast du immer noch vor, Pertinax zu verhaften?«
    »Er hat jetzt zwei Morde auf dem Gewissen und obendrein noch den Angriff auf Petronius. Egal, wie sein alter Vater darüber denken mag, Pertinax ist nicht mehr bloß ein Verschwörer, der auf Amnestie hoffen darf. Seit seiner Verhaftung auf der Isis muß ihm das klar sein. Aber womöglich setzt er jetzt erst recht alles auf eine Karte.«
    »Ich hatte so gehofft, wir könnten einen Weg für ihn finden …«
    »Ich mag nicht, daß du ihn verteidigst!«
    Helena schlang mir die Arme um den Hals. »Marcus, nach nur vier Minuten in deinen Armen bist du mir näher als er mir nach vier Jahren Ehe ist – aber das heißt nicht, daß ich überhaupt keine Loyalität für Pertinax empfinde.«
    Ich nahm ihr Gesicht in meine Hände. »Helena! Du kannst ihm jetzt nicht mehr helfen!«
    »Ich weiß«, sagte sie leise.
    »Da bin ich mir nicht so sicher. Wenn du wieder in Rom bist, bleib im Haus, und wenn Pertinax versucht, mit dir Verbindung aufzunehmen, dann mußt du unter allen Umständen ablehnen!«
    »Marcus, versprich mir nur eins: Bring ihn nicht um!«
    »Ich will ihn nicht töten.« Sie schwieg. »Helena, Liebste, irgend jemand muß es vielleicht tun.«
    »Wenn es sein muß, dann soll ein anderer die Verantwortung auf sich nehmen. Marcus, was du auch tust, du und ich, wir werden auf immer damit leben müssen …«
    Dieses »auf immer« war unwiderstehlich. Plötzlich sah und spürte ich sie wieder so wie vor dem Überfall auf Petronius. »Aber wenn ich ihn entkommen lasse und er bringt noch einen Menschen um, dann muß ich auch damit leben!«
    Helena stieß einen Seufzer aus. »Dann werde diesmal ich ihn begraben müssen.«
    »Pflichtgefühl ist etwas Wunderbares.«
    Sie hatte Tränen in den Augen. »Und was wird aus mir, wenn er dich tötet?«
    »Soweit wird es nicht kommen«, sagte ich schroff. »Das kann ich dir versprechen!«
     
    Sie verstummte, als ich sie fester an mich zog, ihre bangen Augen anlächelte und jeden Gedanken an Pertinax verscheuchte. Sie schmiegte sich an mich, und mir wurde wieder bewußt, wie sehr ich sie begehrte. Sie sah völlig erschöpft aus. Fast eine Woche lang hatte sie es mit mir hier in dem schäbigen Gasthof ausgehalten und sich nie beklagt, wenn ich spät nachts heimkam, viel zu müde, um zu essen, was sie mir aufgehoben hatte, geschweige denn, ihr meine Liebe zu beweisen.
    »Wir haben hier zusammengelebt«, sagte ich reumütig, »und ich war so in meine Arbeit vergraben, daß ich’s nicht einmal gemerkt habe!«
    »Ach ja!« Helena lächelte ihr leises, verhaltenes Lächeln. »Ich hab mir immer gedacht, daß das Leben mit dir so sein würde!«
    »Eines Tages werden wir alles nachholen, das verspreche ich dir.«
    Helena Justina stand reglos da und musterte mich. »Du weißt, daß ich mir nichts sehnlicher wünsche«, sagte sie.
    Dann küßte ich sie, küßte sie so, daß sie nicht denken sollte, das sei womöglich unser letzter Kuß; und Helena küßte mich wieder – so lange und zärtlich, daß ich fast Angst bekam, sie dächte es doch.
    Alles wartete auf uns. Ich mußte sie gehen lassen.

LXXV
    In der Villa Marcella wurde ich von Gordianus empfangen.
    »Ich dachte, Sie halten Totenwache, Oberpriester?«
    »Die Sorge hat mich hergetrieben. Wo ist Milo?«
    »In Herculaneum. Er bringt den Kapitän ins Gefängnis. Und wie steht es hier?«
    »Caprenius Marcellus hatte einen Schlaganfall …«
    »Glauben Sie das bloß nicht! Als Invalide ist der Alte ungefähr so echt wie eine unlustige Ehefrau, die sich mit Kopfweh rausredet …«
    »Aber es ist wahr, Falco. Der Arzt sagt, noch so eine Attacke, und es ist aus mit ihm.«
    »Und Pertinax?«
    »Keine Spur von ihm – aber sein Vater ist fest überzeugt, daß er kommt.«
    »Bleiben also nur noch Sie und ich, Oberpriester.«
    Ja, wir warteten in der Villa auf ihn. Und Pertinax, der irgendwo dort draußen auf der Lauer lag, wartete auf die Ankunft der Kornschiffe aus Alexandria.
     
    Mit Schlaganfällen kannte ich mich aus. Mein Großonkel Scaro, ein alter Schwerenöter und Exzentriker, hatte etliche erlitten (starb allerdings daran, daß er sein selbstgeschnitztes Gebiß verschluckte). Ich ging ins Krankenzimmer, um mir ein Bild von Marcellus’ Zustand zu machen.
    Die Diagnose war korrekt. Es ist bitter, einen intelligenten Menschen auf so ein Häuflein Elend reduziert zu sehen. Das Schlimmste dabei war, daß seine Sklaven schreckliche Angst

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