Bronzeschatten
fanden nur üble Gerüche, Ameisen in der Käsepresse und emsig surrende Fliegen. Schließlich stießen wir auf dem Feldweg mit dem Schurken zusammen, der mich beim erstenmal vom Hof verjagt hatte.
Milo hatte alle Hände voll mit Laesus zu tun, der eine Chance zur Flucht witterte und wie wild um sich schlug. Also knöpfte ich mir den Bauern vor. Er war frisch und ausgeruht, während mich nach diesem anstrengenden Tag die Müdigkeit übermannte. Wir umkreisten einander. Er hatte zwar diesmal seinen Knüppel nicht dabei, aber seine Haltung verriet mir, daß er der geborene Ringer war. Ich bevorzugte Sportarten, wo es auf Geschicklichkeit ankommt. Wir gerieten in ein kurzes Handgemenge, und schon lag ich völlig atemlos auf dem Rücken. Aber auch ich hatte in den Ferien Kondition gewonnen; so rappelte ich mich denn rasch wieder auf und erwartete, diesmal geistesgegenwärtiger, den nächsten Schlag.
Der kam aber nicht. Wie ein weißer Blitz war plötzlich etwas herangeschossen und der Bauer der Länge nach hingeschlagen. Eine Ziege hatte ihn wie im Flug gefällt – eine Ziege, die mir irgendwie bekannt vorkam … Ich sagte: »Ihr Vieh ist ja gut trainiert!« Dann zog ich dem hingestreckten Tölpel eins über, daß er die Besinnung verlor. Wenn er aufwachte, würde er gräßliches Kopfweh haben und feststellen, daß wir längst über alle Berge waren.
Die Ziege, die ihn niedergeworfen hatte, meckerte voller Leidenschaft und stürzte sich auf mich. Ich mußte mich anstrengen, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, während ich die Liebkosungen einer alten Freundin aus Kroton abwehrte.
Laesus machte ein schuldbewußtes Gesicht. »Jedesmal, wenn das Feuer brannte, rannte sie weg. Sie macht einem bloß Ärger, Falco, Sie können sie wiederhaben …«
Und so verließen wir den verdreckten Schlupfwinkel: Milo zerrte Laesus an einem Strick hinter sich her, und ich führte meine geweihte Ziege an der Leine.
Als wir in Oplontis ankamen, schickte ich Milo mit Laesus nach Herculaneum, damit er ihn dort sicher in einer Gefängniszelle abliefere. Ich hatte noch eine Rechnung mit Pertinax offen und deshalb zu tun. Milo hatte Verständnis dafür; alte Rechnungen begleichen war sozusagen sein Hobby.
Helena Justina war noch im Gasthof, aber Pertinax hatte sich nicht blicken lassen. Er würde Helena nach wie vor in der Villa Marcella vermuten. Und selbst wenn er herausbekam, daß sie bei uns war, brauchten wir ihn jetzt nicht mehr zu fürchten. Aemilia Fausta hatte Wort gehalten: Die Sänften für unseren Verwundeten und seine Familie waren eingetroffen – und dazu eine bewaffnete Eskorte aus Herculaneum, lauter kampflustige junge Männer, die aussahen, als würden sie erst zustechen und dann Fragen stellen.
Ich nahm Larius beiseite.
»Ich will hinauf zur Villa rustica. In der Zwischenzeit bist du für unsere Familie verantwortlich. Sieh zu, daß sie möglichst bald aus der Campania fortkommen. Es gefällt mir nicht, daß Pertinax sich so intensiv mit Helena beschäftigt. Aber wenn ich offen mit ihr darüber spreche, wird sie tausend Einwände finden. Also sagen wir lieber, Petronius Longus müsse als besonders wichtiger Zeuge so rasch wie möglich nach Rom zurück. Und ich werde Helena Justina bitten, mitzufahren …«
»Damit alles glattgeht?« Larius grinste.
»Ja, das ist gar nicht so dumm …« Dann sah ich mir meinen Neffen richtig an. »Du hast dich auf dieser Reise gut gehalten. Ich könnte dich brauchen, Larius. Und dreimal im Monat die Schlacht von Actium zu zeichnen ist doch geisttötend. Du solltest lieber deinen Mumm nutzen und deine Entschlußkraft – das imponiert den Mädchen! Möchtest du nicht mein Assistent werden, wenn wir wieder in Rom sind?«
Mein Neffe lachte. Und dann sagte er mir rundheraus, daß er dafür nicht dumm genug sei.
Ich schickte den kleinen Troß noch am selben Abend los. Die Fackeln breiteten ihren durchdringenden Harzgeruch über die Kavalkade: ein Zug quengeliger Kinder und sperriger Gepäckstücke, angeführt von Larius und Ollias Fischerjungen, die Nero mit Petros Weinfaß kutschierten. Wir hatten wahrhaftig eine seltsame Souvenirsammlung zusammengetragen! Milos Knirps kümmerte sich um meine Ziege, die ich mit Nero auf den Hof von Petros Vetter schicken wollte.
Als es drauf ankam, versagte mein schöner Plan und ich gestand Helena die Wahrheit.
»Ja, Marcus, ist gut.« In einer echten Notlage hatte sie sich immer ruhig und besonnen gezeigt, auch wenn Gehorsam gegen
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