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Bronzeschatten

Bronzeschatten

Titel: Bronzeschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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weitläufig sind wie ein Saal; weit und breit kein Mensch; nur hin und wieder eilte ein Beamter vorbei. Ich hatte nicht vor, das zarte Pflänzchen unserer Liebe in der kalten Pracht einer neronischen Empfangshalle zu zertreten, darum machte ich ein finsteres Gesicht und schwieg.
    »Du weißt Bescheid!« beschuldigte Helena mich ruhig, sobald ihr Vater außer Hörweite war.
    »Selbst wenn es so wäre, dürfte ich doch nicht darüber sprechen.«
    Sie warf mir einen Blick zu, gegen den sogar die Stacheln eines Stachelschweins stumpf waren.
    Während wir uns anschwiegen, erfreute ich mich an ihrem Anblick. Der üppige Faltenwurf ihres Matronengewandes unterstrich noch die aufregenden Rundungen, die er verhüllen sollte und die sich mir erst vor zwei Wochen so unvermutet dargeboten hatten. Heute abend erfüllte mich ihre Gegenwart wieder mit dem schon vertrauten Gefühl, daß wir beide einander besser kannten als irgend jemand sonst auf der Welt (und das, obwohl wir noch nicht einmal die Hälfte vom anderen erforscht hatten …). »So habe ich dich am liebsten«, neckte ich. »Was für schöne Augen du hast, wenn du wütend bist!«
    »Erspar mir die Süßholzraspelei! Eigentlich«, bemerkte ihre Hoheit spitz, »hätte ich schon früher mit einem Wiedersehen gerechnet.«
    In der Öffentlichkeit sah sie immer so schutzbedürftig aus, daß ich gleich einen Schritt nähertrat. Sehr behutsam zeichnete ich mit dem Finger ihr weiches Profil von der Schläfe bis zum Kinn nach. Sie reagierte so spröde, daß ich annehmen mußte, ich sei ihr völlig gleichgültig, aber ihre Wangen verfärbten sich unter meiner Berührung. »Ich habe viel an dich gedacht, Helena.«
    »Wohl daran, wie du mich loswerden kannst?« Ich hatte zehn Tage gebraucht, um mich zu dem Entschluß durchzuringen, daß ich diese Affäre beenden müsse – und zehn Sekunden, um die Entscheidung zu widerrufen. »Ach, ich weiß schon!« fuhr sie zornig fort. »Jetzt ist Mai. Damals war April. Ich war das Mädchen vom letzten Monat. Du wolltest doch bloß -«
    »Du weißt verdammt gut, was ich wollte! Auch das sollte ich dir eigentlich nicht verraten«, langsam beruhigte ich mich wieder. »Aber glauben Sie mir, Verehrteste, ich halte sie für etwas ganz Besonderes.«
    »Was du jetzt vergessen hast«, klagte Helena. »Oder du willst, daß ich vergesse …«
    Als ich eben im Begriff war, ihr zu beweisen, wie gut ich mich erinnerte und wie wenig mir daran lag, daß sie oder ich etwas vergaßen, erschien ihr erlauchter Vater wieder auf der Bildfläche.
    »Ich komme dich besuchen«, versprach ich Helena im Flüsterton. »Ich muß etwas mit dir besprechen …«
    »Oh, es gibt also doch das eine oder andere, was du uns anvertrauen darfst?« Sie sprach mit Absicht so laut, daß ihr Vater es hören konnte. Camillus hatte unseren Streit bemerkt, ging aber mit einer nervösen Fahrigkeit darüber hinweg, die seinen wahren Charakter Lügen strafte. Wenn die Situation es verlangte, konnte er nämlich durchaus energisch durchgreifen.
    Ehe Helena mir zuvorkommen konnte, sagte ich zu ihm: »Die Seele Ihres Bruders wurde mit geziemender Ehrerbietung auf ihre letzte Reise geschickt. Wenn es die Unterwelt wirklich gibt, schlendert er jetzt über die Wiesen des Hades und läßt Cerberus Stöckchen apportieren. Bitte fragen Sie mich nicht, woher ich das weiß.«
    Er gab sich bereitwilliger mit meiner Auskunft zufrieden als Helena.
    Ich schützte dringende Geschäfte vor und verabschiedete mich von den beiden.
    Gemeinsam warteten Anacrites und ich vor dem Arbeitszimmer des Kaisers mit jener nervösen Spannung, die angesichts eines bedeutenden Mannes niemand ganz abschütteln kann; schließlich kann dessen Gunst nur allzu schnell in ihr Gegenteil umschlagen. Anacrites kaute an einem Fingernagel herum. Ich war niedergeschlagen. Vespasian konnte mich gut leiden. In der Regel bewies er mir seine Zuneigung dadurch, daß er mir unlösbare Aufgaben zuteilte, mit denen ich kaum etwas verdiente.
    Wir wurden hereingerufen. Die Hofschranzen machten einen Bogen um uns, als seien wir von einer fernöstlichen Seuche befallen.
    Vespasian war keiner dieser spindeldürren, sehnigen Aristokraten, sondern ein stämmiger Soldat, genauer gesagt ein ehemaliger General. Die elegante purpurne Tunika trug er so lässig wie einen braunen Bauernfries. Er stand im Ruf, sich mühsam mit Hypotheken und Krediten die Macht erkämpft zu haben, aber er sonnte sich gern in kaiserlichem Glanz und stürzte sich mit soviel Elan

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