Bronzeschatten
und Sachverstand in die Arbeit, wie kein Caesar mehr seit Augustus.
»Camillus Verus war eben bei mir!« rief er mir entgegen. »Und er hatte dieses eigensinnige Frauenzimmer dabei, seine Tochter!« Seine Stimme klang gereizt; der Kaiser wußte um meine Beziehung zu der Dame, und er billigte sie nicht. »Ich habe gesagt, ich wüßte von nichts.«
»Das habe ich ihnen auch gesagt!« beteuerte ich mit schlechtem Gewissen.
Er funkelte mich an, als wären wir durch meine Schuld in diese Bredouille geraten, beruhigte sich aber rasch wieder. »Nun, was habt ihr mir zu berichten?«
Ich überließ Anacrites das rare Vergnügen, dem mächtigsten Herrscher der Welt Sand in die Augen zu streuen. »Wir machen Fortschritte, Caesar!« Mir wurde fast übel, als ich ihn so prahlen hörte.
»Habt ihr schon Beweise gefunden?« forschte Vespasian weiter.
»Eine Anzeige, erstattet gegen Pertinax Marcellus von seiner Ex-Frau …«
Ich wollte wütend dazwischenfahren, als er sich so mit meinen Informationen über Helena brüstete, aber der Kaiser kam mir zuvor. »Lassen Sie Camillus’ Tochter aus dem Spiel!« (Anacrites wußte nicht, wie gut Vespasian und Helenas Vater miteinander standen; er hatte ja auch nicht danach gefragt.)
»Zu Befehl, Caesar.« Hastig schlug der Spion ein anderes Thema an. »Nach Nero purzelten die neuen Kaiser ja wie Würfel auf einem Spieltisch. Ich denke, diese irregeleiteten Seelen haben Ihr Stehvermögen unterschätzt …«
»Die wollen einen Snob mit vornehmem Stammbaum auf ihrem Thron sehen!« höhnte Vespasian. Er selbst war bekannt für seine nüchterne Haltung.
»Und mit einem Anflug von Wahnsinn, damit auch der Senat Vertrauen zu ihm faßt«, warf ich ein. Vespasians Lippen wurden schmal. Wie die meisten Menschen hielt auch er mein republikanisches Engagement für ein Zeichen von Hirnerweichung. Einen Augenblick lang waren wir alle aus dem Konzept geraten.
Schließlich nahm der Kaiser wieder das Wort. »Ich finde es unverzeihlich, daß diese Verräter sogar meinen jüngeren Sohn verführen wollten!« Daß jemand ernsthaft versucht haben könnte, den jungen Domitian Caesar zum Marionettenkaiser umzumodeln, war schwer vorstellbar; Domitian dagegen, der einen sehr beliebten und männlich entschlossenen älteren Bruder hatte, war sein Leben lang von der Idee fasziniert, die natürliche Ordnung umzustürzen. Er war zwanzig und hatte noch Jahrzehnte der Rebellion vor sich.
Anacrites und ich starrten den Fußboden an. Ein Meisterwerk der Handwerkskunst und über die Maßen geschmackvoll: alexandrinisches Mosaik – ein großes, kühnes Schlangenmuster in Schwarz und Perlweiß.
»Sie können mir nicht verdenken, daß ich mein eigen Fleisch und Blut verteidige!« beharrte der liebende Vater eigensinnig. Wir schüttelten düster den Kopf. Er wußte, daß wir Domitian Caesar für ein Ekel hielten. Der alte Mann verriet seine Gefühle nicht. Weder Vespasian noch sein erstgeborener Sohn Titus übten in der Öffentlichkeit je auch nur die leiseste Kritik an Domitian (und doch glaube ich, daß sie ihm hinter verschlossenen Türen manchmal kräftig die Leviten lasen).
Atius Pertinax hatte mit dem Herzenssohn des Kaisers paktiert, deshalb prüfte Anacrites die Papiere des Verstorbenen doppelt und dreifach. Denn falls wir irgendwo auf Beweismaterial gegen Domitian stießen, wollte Vespasian das so schnell wie möglich vernichtet sehen.
»Ach was!« rief der Kaiser, dem das ewige Spekulieren allmählich langweilig wurde. »Die Verschwörung ist tot: Also vergeßt sie gefälligst!« Der Ton der Lagebesprechung änderte sich schlagartig. »Rom muß sich wohl oder übel an mich gewöhnen. Mein Vorgänger hat bereitwillig abgedankt …«
So konnte man es auch sehen. Der letzte Kaiser, Vitellius, war vom entfesselten Mob auf dem Forum ermordet worden, seine Legionen hatten sich ergeben, sein Sohn lag noch in den Windeln, und seine Tochter wurde von Vespasian eilends mit einer so kolossalen Mitgift verheiratet, daß ihr Gatte jahrelang dankbar damit beschäftigt sein würde, ihr Vermögen zu zählen.
Vespasian bleckte ärgerlich die Zähne. »Durch dieses Fiasko habe ich vier leere Sitze im Senat. Die Gesetze sind da ganz unmißverständlich. Senatoren müssen in Rom wohnen. Aber Faustus Ferentinus segelt einfach nach Lycia, um dort mit einer uralten Tante Pfefferminztee zu trinken. Ich habe ihm nachträglich meine Erlaubnis gegeben, schon aus Achtung vor der Tante …« Es wäre ein schwerwiegender Fehler, aus
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