Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bronzeschatten

Bronzeschatten

Titel: Bronzeschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
Vom Netzwerk:
als wären zwei Menschen, die mir viel bedeuteten, eben einander vorgestellt worden.
    Ich hielt immer noch ihr Rezept in der Hand. »Was ist denn das?«
    »Ein Rezept für Steinbutt in Kümmel. Bestimmt das Lieblingsgericht ihres Gatten …« Ich seufzte grimmig. »Du kennst doch den Spruch: Für den Preis dreier Pferde kann man einen anständigen Koch kaufen, und mit drei Köchen ersteigert man vielleicht einen Steinbutt – ich hab noch nicht mal ein Pferd!«
    Er beäugte mich lauernd. »Willst du sie haben, Marcus?«
    »Hätte ja doch keinen Platz für sie.«
    »Die Statue?« Er grinste breit.
    »Oh, die Statue!« antwortete ich und lächelte traurig mit.
    Wir entschieden, daß es im höchsten Maße unschicklich sei, das Bildnis einer adeligen Dame auf dem Markt zu verkaufen. Vespasian würde auch dieser Meinung sein; er würde ihrer Familie anbieten, die Statue zu einem schwindelerregenden Preis zurückzukaufen. Geminus war ebenso voreingenommen gegen den Kaiser wie ich, deshalb trugen wir Helena Justina nicht in die Inventarliste ein.
    Ich schickte die Statue an ihren Vater, verpackte sie selbst für den Transport, und zwar in einen kostbaren ägyptischen Teppich, der ebenfalls nicht inventarisiert worden war (der Auktionator hatte ihn für sich reserviert).
     
    Die Phantasie kann einem, spät nachts in einem leeren Haus, seltsame Streiche spielen.
    Gornia und seine Träger waren schon fort, und Geminus stand im Eingang. Ich wollte nur noch rasch im Empfangszimmer meine zerknitterte Toga holen. Als ich wieder herauskam, rieb ich mir die müden Augen. Die Lampe im Gang spendete nur schwaches Licht, und doch meinte ich, im Atrium jemanden zu sehen – wahrscheinlich einer der Sklaven.
    Er betrachtete die Statue.
    In dem Moment, als ich mich umdrehte, um die Tür zu schließen, verschwand er. Er hatte helles Haar, war schlank, ungefähr in meinem Alter, und seine scharfen Züge erinnerten mich an jemanden, dem ich einmal begegnet war … Unmöglich. Einen bedrückenden Augenblick lang glaubte ich, ich hätte den Geist von Atius Pertinax gesehen.
    Ich hatte in letzter Zeit bestimmt zuviel gegrübelt und war übermüdet. Die Beschäftigung mit Toten den ganzen Tag hatte mich verwirrt. Ich glaubte nicht daran, daß enteignete Geister grollend auf die Erde zurückkehren und in ihren totenstillen Häusern umgehen.
    Ich ging zum Atrium. Ich öffnete etliche Türen, konnte aber niemanden entdecken. Ich kehrte zu der Bronzestatue zurück und starrte sie meinerseits an. Nur ihr Gesicht guckte aus dem Teppich heraus, in den ich sie vorhin eingerollt hatte.
    »Da wären wir also, du, ich und er. Er ist ein Gespenst, du bist eine Statue und ich bin wahrscheinlich ein Verrückter …«
    Das ernste Gesicht der blutjungen Helena sah mich mit leuchtenden, ummalten Augen an und schenkte mir die Andeutung eines Lächelns, das entrückt schien, süß und aufrichtig.
    »Du bist ganz und gar Frau, Prinzessin!« erklärte ich ihr und gab dem teppichumwickelten Hinterteil noch einen liebevollen Klaps. »Absolut unzuverlässig!«
    Der Geist war in einer marmornen Wandverkleidung verschwunden; die Statue blickte hoheitsvoll. Der Verrückte fröstelte und lief dann eilends hinter Geminus her nach Hause.

XI
    Meiner Meinung nach sind die schönsten Häuser Roms nicht die eleganten Villen mit den geschlossenen Fensterläden auf dem Pincio, sondern die pittoresken Wohnungen in meinem Bezirk, drüben am Ufer des Tibers, mit ihren lauschigen Treppchen hinunter zum Fluß und den herrlichen Ausblicken. Geminus wohnte hier. Er hatte Geld und Geschmack und war auf dem Aventin geboren; klar, daß er sich hier ansiedelte.
    Um mich zu trösten, behauptete er immer, die Häuser würden oft überflutet. Und wenn schon; er konnte genug Sklaven losschicken, um den Tiber wieder aus seinem Haus rauszuschöpfen. Und wenn einem Auktionator die Möbel naß werden, kann er sich leicht neue beschaffen.
    Heute abend fuhr er im üblichen bescheidenen Stil nach Hause – eine herrschaftliche Sänfte mit sechs muskelstarrenden Trägern, eine protzige Fackelträgerriege und seine beiden Leibwächter; ich ließ mich von ihm mitnehmen. Unterwegs pfiff er durch die Zähne, eine unangenehme Angewohnheit von ihm; wir sprachen kaum. Als er mich zwei Gassen von meiner Wohnung entfernt rausließ, maß er mich mit finsterem Blick.
    »Halte dich an deinesgleichen, Marcus; das Adelsvolk ist zum Rupfen da und nicht zum Turteln!« Ich war nicht in der Stimmung, ihm zu

Weitere Kostenlose Bücher