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Bronzeschatten

Bronzeschatten

Titel: Bronzeschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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ich. Und hatte sich kaum je die Mühe gemacht, sie hier zu überraschen. Helena Justina hatte sich von Pertinax scheiden lassen, weil er sie vernachlässigte. Dafür haßte ich ihn. Er schwelgte im Luxus, aber sein Gefühl für Prioritäten war völlig unterentwickelt.
     
    Als ich zum Atrium zurückschlenderte, schnürte Kummer mir die Kehle zu. Draußen stolperte ich über Geminus.
    »Du siehst aber elend aus! Such dir endlich eine ordentliche Arbeit, bei der du auch was verdienst!«
    Eigentlich hatten wir schon alle Statuen fortgeschafft, aber während wir schwatzten, tauchte doch noch eine auf. Geminus taxierte heimlich die Arbeit und beäugte dann unverhohlen lüstern das dargestellte Frauenzimmer. Sie war von Meisterhand geschnitzt und dann in Bronze gegossen, eine wahre Augenweide: Helena Justina, wie sie leibt und lebt.
    Ich pfiff leise. Es war ein raffiniertes Kunstwerk. Wie hatte jemand diese stets unter der Oberfläche schwelende Aufmüpfigkeit in Metall einfangen und den Anflug eines Lächelns um ihre Mundwinkel festhalten können … Ich schnippte ein paar Asseln von ihrem Ellbogen und tätschelte dann ihren hübschen bronzenen Po.
    Geminus war der Auktionator, den Anacrites angeschwärzt hatte – als jenen Mann, der mich einst der Welt aufgebürdet hat. Ich konnte verstehen, was die Leute zu dieser Annahme verführte. (Genau wie ich, wenn ich mir meine Familie anguckte, begreifen konnte, warum mein Vater es vorgezogen hatte, sich dünn zu machen.) Er war ein stämmiger, verschwiegener, launischer Mann um die Sechzig mit dichtem grauem Haar, lauter Locken. Er sah gut aus (wenn auch nicht so gut, wie er glaubte). Er hatte einen Riecher für Skandale und einen Blick für Frauen, der ihm sogar in der Saepta Julia, wo die Antiquitätenhändler verkehren, einen Namen gemacht hatte. Wenn einer meiner Klienten ein Erbstück zu verkaufen hatte, vermittelte ich ihm das Geschäft (falls der Klient eine Frau und ich zufällig unabkömmlich war, vermittelte ich sie gleich mit).
    Wir standen da und spielten Kunstkritiker. Helenas Statue war unsigniert, stammte aber von einem guten griechischen Bildhauer. Sie war atemberaubend schön, mit vergoldetem Kopfschmuck und abgetönten Augen. Das Kunstwerk zeigte Helena als ungefähr achtzehnjähriges Mädchen mit hochgesteckten Haaren, wie es früher Mode gewesen war. Sie war festlich gekleidet, aber der Faltenwurf der Gewänder ließ raffiniert erahnen, wie sie darunter aussah.
    »Sehr hübsch«, meinte Geminus, »ein sehr hübsches Stück!«
    »Wo war denn diese Schönheit versteckt?« fragte ich die Träger.
    »In einem Kabuff neben den Küchenlatrinen.« Das konnte ich verkraften. Ich hätte mir nur ungern vorgestellt, wie Pertinax sie in seinen Privatgemächern betrachtete. (Alles, womit dieser Trottel sein Schlaf- und Arbeitszimmer schmückte, waren silberne Statuetten von seinen Rennpferden und Bilder von seinen Schiffen.)
    Geminus und ich bewunderten die gelungene Linienführung. Mein Gesichtsausdruck muß ihm aufgefallen sein.
    »Castor und Pollux! Bist du etwa scharf auf die, Marcus?«
    »Nein«, sagte ich.
    »Lügner!« gab er zurück.
    »Stimmt.«
    In Wirklichkeit hatte die Dame, als sie eine nähere Bekanntschaft wünschte, selbst die Initiative ergriffen. Aber das ging ihn nichts an.
     
    Frauen verändern sich sehr zwischen achtzehn und dreiundzwanzig. Es tat weh, sie so zu sehen, noch unberührt von Pertinax und Kummer, und mir zu wünschen, ich hätte sie vor ihm gekannt. Irgendwas in ihren Zügen machte mir unangenehm bewußt, daß ich heute – und schon mein ganzes Leben lang – viel zu eifrig anderswo geflirtet hatte. »Zu unterwürfig. Er hat sie nicht getroffen«, murmelte ich. »Im wirklichen Leben funkelt die Dame einen an, als würde sie einem die Nase abbeißen, wenn man sich zu nahe heranwagt …«
    Geminus prüfte, ob mein Rüssel zu Schaden gekommen sei, und kniff mich dabei gleich besitzergreifend hinein. »Wie nahe wagst du dich denn normalerweise ran?«
    »Ich habe sie ganz zufällig getroffen. Letztes Jahr in Britannien. Sie hat mich als Leibwächter für die Rückfahrt nach Rom engagiert. Es war alles ganz korrekt, weit und breit kein Skandal, verstehst du …«
    »Was ist los? Verlierst du deinen Charme?« spottete er. »Nur wenige adlige junge Damen reisen vierzehnhundert Meilen in Begleitung eines ansehnlichen jungen Mannes ohne sich ein bißchen Trost zu gönnen!« Er starrte sie an. Einen Moment hatte ich ein ganz komisches Gefühl,

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