Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bronzeschatten

Bronzeschatten

Titel: Bronzeschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
Vom Netzwerk:
Bruder«, sagte ich.
    Dann ließ ich die Urne auf Milos Schädel niederkrachen.

XVII
    Etwa zwölf Meilen südlich von Kroton beschließt eine Landzunge mit Namen Kap Colonna einen langgezogenen, öden Küstenstrich am Nordrand des Golfes von Syclacium. Direkt am Wasser, ein typisch griechischer Standort, steht ein riesiger Hera-Tempel mit Blick auf das schmerzhaft flirrende Ionische Meer. Es ist ein bedeutendes Heiligtum im klassischen Stil – oder für einen Mann in Schwierigkeiten (zum Beispiel Curtius Gordianus, der mit knapper Not einem Scharmützel mit den Prätorianern entronnen war) ein sicheres Refugium, weit, weit weg von Rom.
    Gordianus führte hier den Titel eines Oberpriesters. Große Tempel haben oft ortsansässige Patrone, aber bis ich Milos Knirps in der Mansio das Fürchten lehrte und ihm die Zunge löste, hatte ich nicht damit gerechnet, daß der durch Erbfolge bestimmte Oberpriester sich nicht nur hier einquartiert hatte, sondern sein Amt auch ausübte. Die Erfüllung eines Senators liegt wohl kaum darin, Altäre zu schmücken.
    Trotz des hellen Sonnenscheins zauberte die kühle, klare Luft mir eine Gänsehaut auf die Arme, der scharfe, salzige Meeresgischt straffte die Haut über meinen Wangenknochen, und eine steife Brise zerrte an meinen Haaren. Als ich durch die dorische Säulenhalle schritt, verschlug die erhabene Stille mir fast den Atem.
    An einem Altar im Freien zelebrierte ein verschleierter Priester ein Opfer. Die Familie, deren Geburtstag oder Zukunft hier gedacht wurde, scharte sich in ihren besten Kleidern um ihn, mit von der Sonne und dem Seewind geröteten Wangen. Tempeldiener trugen schön verzierte Kästchen mit Weihrauch und glänzenden Kesselchen, in denen er verbrannt werden sollte; junge Helfer, die den Posten ihrer Schönheit verdankten, hantierten mit Becken und Äxten für die Opferschlachtung, während sie heimlich den jungen Sklaven der Familie schöne Augen machten. Der angenehme Duft von Apfelholz sollte ebenso die Aufmerksamkeit der Göttin erregen wie der widerliche Geruch von versengtem Ziegenhaar, das der Priester eben, getreu dem Ritus, über dem Altarfeuer schwenkte.
    Etwas abseits stand eine weiße Ziege mit blumenbekränzten Hörnern und besorgter Miene; ich zwinkerte ihr zu, als ich von der Kolonnade heruntersprang. Unsere Blicke trafen sich; sie machte sich mit einem verzweifelten Meckern Luft, biß ihren halbwüchsigen Hirten in die empfindliche junge Leistengegend und nahm Reißaus, Richtung Strand.
    Milos Knirps stürzte der Ziege hinterher. Die Helfer des Priesters wieselten munter hinterdrein. Die untröstlichen Pilger, deren schöne Feier nun verdorben war, lehnten ihre teuren Lorbeerkränze an den Altar, damit niemand drauftreten konnte, und trabten hinter den anderen her, zum Strand hinunter. Die Ziege hatte schon etwa die Spurtstrecke eines Stadiums zwischen sich und ihre Verfolger gebracht. Da ich wieder meine religiösen Gewänder trug, schickte es sich nicht, sie anzufeuern.
    Bis die Kavalkade zurückkehrte, würde viel Zeit vergehen. Der Oberpriester schrie wütend auf und ging auf die Tempelstufen zu. Ich folgte ihm, obwohl seine Haltung entmutigend wirkte; ein schlechter Start für meine neue Rolle als Diplomat.
    Aulus Curtius Gordianus war Ende Vierzig, etwas größer als ich und von nachlässigem, ungepflegtem Äußeren. Er hatte die großen, schwimmhäutigen Ohren, die roten Äuglein und die faltige, ungesund gräuliche, unbehaarte Haut eines Elefanten. Wir setzten uns nebeneinander an die Sockelkante.
    Der Pontifex seufzte gereizt, hielt schützend die Hand über die Augen und schaute dem Zirkus hinterher.
    »Oh, das ist lächerlich!« schäumte er.
    Ich warf ihm einen flüchtigen Blick zu, als wären wir zwei Fremde, die ein amüsanter Zufall zusammengeführt hat. »Das Opfer muß aus freien Stücken zum Altar kommen.« (Ich hatte als Zwölfjähriger eine sehr fromme Phase durchgemacht.)
    »Genau!« Er spielte den aufgeschlossenen, jovialen geistlichen Herrn, aber die Erbitterung des suspendierten Senators kam rasch durch. »Sie machen den Eindruck eines Boten, der damit rechnet, daß seine Ankunft mir im Traum geweissagt worden ist!«
    »Ich nehme an, der umtriebige Mensch auf seinem Esel, der eben an mir vorbeigeritten ist, hat Ihnen von mir berichtet. Ich hoffe, Sie haben ihn mit einem Denar belohnt. Und wenn er wieder in Kroton ist, stellt sich hoffentlich heraus, daß es ein falscher war!«
    »Sind Sie denn einen Denar wert?«
    »Nein.

Weitere Kostenlose Bücher