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Bronzeschatten

Bronzeschatten

Titel: Bronzeschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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eine müde Prozession vom Strand herauf. Die Ziege bockte den ganzen Weg über. Irgendwie weckte ihre mißliche Lage mein Mitgefühl. Auch ich verbrachte den Großteil meines Lebens damit, dagegen anzumeckern, daß man mich dem sicheren Verderben entgegenführte.
    Da sonst niemand da war, fragte der älteste Bittsteller mich um Rat.
    »Geht heim«, befahl ich, munter drauflos improvisierend. »Fegt das Haus mit Zypressenzweigen aus …«
    »Aber was wird mit der Ziege?«
    »Diese Ziege«, erklärte ich würdevoll (und mit dem Gedanken an einen leckeren Braten, über offenem Feuer geröstet und mit Salbei und Meersalz gewürzt), »ist jetzt der Göttin Hera geweiht. Laßt sie nur getrost bei mir!«
    Die Pilger sammelten ihre Kränze ein und trollten sich heimwärts; die Acolyten sprangen in den Tempel, um sich ungestört jenen Spielen zu widmen, die diese schrecklichen jungen Stipendiaten genießen, sowie sie sich unbeaufsichtigt wissen. Feixend nahm ich die Ziege in Empfang.
    Das Tier zitterte kläglich an seinem langen Strick. Es war ein hübsches kleines Ding. Zu ihrem Glück fühlte ich mich, obwohl ich nichts zu beißen hatte, in meiner priesterlichen Verkleidung plötzlich viel zu keusch und rein, als daß ich es über mich gebracht hätte, Heras geweihte Ziege aufzuessen.
    Ehrlich gesagt: Ich wäre nie imstande gewesen, ein Geschöpf zu schlachten, das mich mit so traurig schmachtenden Augen ansah.

XIX
    Ich kann mir nie merken, ob die neuntägige Trauer mit dem Todestag beginnt oder dem Zeitpunkt, da man benachrichtigt wird. Gordianus hielt sich an die zweite Möglichkeit; schlecht für meine Körperpflege, aber ihm blieb so mehr Zeit, sich zu erholen.
    Neun Tage lang durchstreifte ich das Küstenvorland, während meine Ziege das Treibholz inspizierte und ich sie über die höheren Dinge des Lebens belehrte. Ziegenmilch und Weizenküchlein vom Altar hielten mich am Leben. Zum Schlafen kuschelte ich mich zwischen mein Maultier und die Geiß. Ich badete im Meer, roch aber trotzdem nach Tier, und konnte mich nirgends rasieren.
    Wenn Besucher in den Tempel kamen, verkrümelte ich mich. Wer zu seiner Erbauung ein Heiligtum aufsucht, möchte dort kein bärtiges Wrack und keine durchgegangene Ziege vorfinden.
    Nach zwei Tagen erschien ein Hilfsgeistlicher als Gordianus’ Vertretung. Unterdessen hatte ich die Acolyten in Handballmannschaften eingeteilt und veranstaltete mit ihnen Punktespiele unten am Strand. Wenn die Jungs erschöpft waren, versammelte ich sie um mich und las ihnen aus meinem Gallischen Krieg vor. Frische Luft und Vercingetorix sorgten dafür, daß sie zumindest tagsüber nicht auf dumme Gedanken kamen; was sie des Nachts trieben, darum kümmerte ich mich lieber nicht.
    Nach Einbruch der Dunkelheit, wenn alles ruhig wurde, ging ich für gewöhnlich allein in den Tempel, setzte mich vor die Beschützerin des Herdfeuers und der ehelichen Liebe, dachte an nichts und mampfte ihre Weizenküchlein. Die Göttin Hera muß gewußt haben, daß Zeus, ihr donnergewaltiger Gatte, und die Zunft der Privatermittler die gleichen Schwächen haben; zuviel Freizeit – und zu viele kapriziöse Frauenzimmer mit verlockenden Vorschlägen, wie sie zu nutzen sei.
    Manchmal stand ich am Wasser und dachte an Helena Justina, die das ebenfalls wußte. Als ich an den jungen Türhüter im Hause des Senators dachte, der mir unter einem fadenscheinigen Vorwand den Zutritt verweigert hatte, traf mich die Erkenntnis wie ein Blitz; sie war vernünftig und weitblickend. Helena Justina hatte mich verlassen!
     
    Am zehnten Morgen, als ich schon ganz benommen war vor Hunger und Einsamkeit, kam einer der Acolyten zu mir an den Strand herunter. Dieser sündige kleine Niemand hieß Demosthenes – ein typischer Ministrant, altklug, aber mit ungewaschenen Ohren.
    »Didius Falco, die Leute denken allmählich schlecht von Ihnen und Ihrer Ziege!«
    »Unsinn! Das ist eine anständige Ziege.« Demosthenes blickte mich mit unergründlichen Augen an, er war hübsch, aber nicht vertrauenswürdig. Die Ziege ahmte seinen Blick nach.
    Der Acolyt rümpfte die Nase. »Curtius Gordianus ist im Tempel, Falco. Er läßt ausrichten, daß Sie sein Bad benutzen dürfen. Soll ich Ihnen den Rücken schrubben?« setzte er anzüglich hinzu. Ich antwortete, daß Gefälligkeiten von ihm mir nur Ärger mit meiner Ziege einbringen würden.
     
    Inzwischen hatte ich gelernt, mit den fehlenden Annehmlichkeiten Krotons zu leben. Ich ging zum Tempel, band meine

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