Bronzeschatten
zweifeln.
»Oh, aber das wird sie, Konsul, bestimmt!«
Ihre dunkelblauen Augen maßen mich mit eisiger Verachtung. Ich grinste selig wie ein verspieltes Hündchen, das vor der Herrin Männchen macht, um sich noch ein paar Streicheleinheiten zu erbetteln.
Als Beau einer Senatorentochter hatte ich nicht gerade meinen besten Auftritt. Zum Verhökern unserer Bleirohre trug ich die einärmelige rote Arbeitertunika und um die Taille einen arg zerknautschten, fleckigen Lederbeutel, in dem ich Vespasians Brief an Crispus und mein Vesperpaket aufbewahrte; heute hatte Silvia uns Äpfel mitgegeben, die, in der Leistengegend getragen, einen faszinierenden Effekt bewirkten. Aber bei jeder Bewegung klirrten das metallene Klapplineal und das Zeichendreieck an meinem Gürtel aneinander. Mein Oberkörper war sonnenverbrannt, und ich konnte mich nicht erinnern, wann ich mich das letzte Mal rasiert hatte.
»Er heißt Marcus Didius Falco.« Sie sprach den Namen aus wie eine Witwe, die einen Dieb verklagt: eine Witwe, die sich sehr wohl zu wehren wußte. »Er wird Ihnen mehr Märchen auftischen als die Sibylle von Cumae; engagieren Sie ihn nur, wenn es unbedingt sein muß, und vertrauen Sie ihm nicht!«
Nie zuvor hatte mich jemand so unverschämt behandelt; ich strahlte sie hilflos an und las ihr jedes Wort von den Lippen. Der Konsul lachte nachsichtig.
Marcellus machte Anstalten, sich zu einem Diwan hinüberzuschleppen – eine jener niedrigen gepolsterten Ruhebänke, wie sie von Invaliden bevorzugt werden. Die Sklaven waren uns ins Haus gefolgt – zehn, zwölf plattfüßige Bauerntölpel, die alle so ehrerbietig dreinschauten, daß es mich krank machte –, und als er sich nun ächzend in Bewegung setzte, rückten sie in geschlossener Formation vor. Aber es war Helena, die ihm als erste beisprang. Sie rückte die Liege heran und hielt sie fest, bis er sich langsam und umständlich niedergelassen hatte.
Ein Mann, um den Helena Justina sich kümmerte, konnte sich aufs Alter freuen: Da hätte er reichlich Muße und Spielraum, seine Memoiren zu schreiben, während sie seine Diät überwachte und im Haus für Ruhe sorgte, damit er sein Nachmittagsschläfchen halten kann … Ohne mich eines Blickes zu würdigen, nahm sie die Weinflasche und trug sie hinaus.
»Ein herrliches Geschöpf.« krächzte ich. Der Alte lächelte zufrieden. Ein unverschämter, halbnackter Handwerker durfte seine eigenwillige Schwiegertochter nur aus der Ferne bewundern; daß ihr Leben und meines einander nie berühren würden, verstand sich von selbst.
»Der Meinung sind wir auch.« Er schien es gern zu hören, daß man sie pries. »Ich kenne Helena Justina von Kindheit an. Es war ein großer Tag für die Familie, als sie meinen Sohn geheiratet hat …«
Da sie inzwischen von Pertinax geschieden und der ja ohnehin tot war, war ich um eine Antwort verlegen. Zum Glück kam sie bald wieder herein (umhüllt von wippenden, scharlachroten Schleifen und dem herbsüßen Duft eines sündhaft teuren Parfums von der Malabarküste …).
»Also Falco heißt der Schelm! Ein Spitzel – versteht er sein Handwerk?« fragte der Konsul.
»Ausgezeichnet«, sagte sie.
Dann trafen sich unsere Blicke.
Ich wartete ab und versuchte, die Stimmung im Haus zu erfassen. Irgend etwas lag in der Luft – und zwar nichts, was mit Malabardüften zu tun gehabt hätte. Ihre Durchlaucht ließ sich in einiger Entfernung in einem Sessel nieder, wie eine wohlerzogene junge Frau, die sich diskret aus den Geschäften der Männer heraushält. (Das war natürlich Unfug; Helena Justina mischte sich ein, wo immer sie nur konnte.)
Marcellus gab mir das Stichwort. »Also, Sie wollten mich sprechen?« Ich entschuldigte mich zunächst für meinen unpassenden Aufzug und sprach ihm mein Beileid zum Tode seines adoptierten Erben aus. Er war ganz Herr der Lage. Seine Miene schien unverändert.
Als nächstes erläuterte ich, daß und wie ich zum kaiserlichen Testamentsvollstrecker der Pertinaxschen Güter bestellt worden sei. »Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen! Zuerst findet ein pflichtvergessener Gefängniswärter Ihren Sohn erdrosselt auf; dann werden die fünf Senatskollegen Ihres Sohnes, die mit ihrem Intaglioring sein Testament bezeugt haben, von Vespasians Beamten als Erbschaftsverwalter beiseite gedrängt – eine schöne Verschwendung von Siegelwachs und dreisträhnigem Notarsgarn!«
Das Gesicht des Konsuls war undurchdringlich. Immerhin machte er nicht den
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