Bronzeschatten
schwachen, aromatischen Duft. Über eine Halbtür am Ende des Korridors hinweg blickte ich in eine große Scheune; eine schlanke getigerte Katze hatte sich auf einem Getreidesack zusammengerollt. Irgendwo schrie ein Esel; von fern hörte ich einen Schleifstein quietschen. Ich machte kehrt.
Der benebelnde Duft hatte mir schon beim Eintritt verraten, daß in den Kammern rechts und links Weinfässer gelagert sein mußten – und zwar in stattlicher Zahl. Zwanzig transportfertige Amphoren waren draußen auf dem Gang aufgereiht. In der ersten Kammer standen die Keltern, bereit für die neue Lese; in einem Raum dahinter würden die Fässer lagern. Ich hörte etwas rascheln und klopfte daher, um nicht unhöflich zu erscheinen, an, bevor ich ins Allerheiligste vordrang.
Drinnen bot sich das herzerfrischende Szenario von Bottichen und Kufen, und über allem waberte Alkoholdunst. Die dicken Mauern waren fensterlos, dadurch behielt der dämmrige Raum seine gleichmäßig kühle Temperatur. Ein rußiger Kerzenstummel brannte auf einem Holztisch zwischen irdenen Töpfchen und Probierbechern. Gerätschaften, die aussahen, als gehörten sie in ein Feldlazarett, hingen an den Wänden, und ein auffallend großer, älterer Mann füllte vom letztjährigen Wein gerade einen Krug ab.
»Da lacht einem das Herz im Leibe«, sagte ich leutselig. »Ein Winzer labt sich an einem besonders guten Tropfen vom Selbstgekelterten und schaut vergnügt drein!« Ohne zu antworten, ließ er das Rinnsal aus dem großen Korbballon langsam durch den Trichter fließen. Ich lehnte mich an den Türrahmen und hoffte, ein Schlückchen abzubekommen.
Mit einemmal strömte der Wein stärker, und der Krug war randvoll. Der Alte kippte die Korbflasche zurück, drehte den Trichter ab und setzte den Spund ein. Dann richtete er sich auf und lächelte mir zu.
Früher hatte er gewiß zu den hochgewachsensten Männern der Campania gezählt. Das Alter hatte ihn gebeugt und seinen Körper schrecklich ausgezehrt. Sein runzliges Gesicht war fast durchsichtig, und er trug eine langärmelige Tunika, als ob er ständig fröre, auch wenn er die Ärmel jetzt während der Arbeit zurückgeschlagen hatte. Seine Züge wurden vollkommen beherrscht von einer mächtig hervorspringenden Nase.
»Verzeihen Sie, daß ich hier einfach so hereinplatze«, sagte ich.
»Zu wem wollten Sie denn?« erkundigte er sich liebenswürdig. Ich trat beiseite, um der Nase den Vortritt zu lassen, dann traten wie beide auf den Hof.
»Das kommt ganz drauf an. Wer ist denn zur Zeit hier?«
Seine Augen verengten sich. »Kommen Sie geschäftlich?«
»In Familienangelegenheiten. Ist der Konsul in Setia? Hat er einen Verwalter hier?«
Der Mann blieb abrupt stehen. »Sie wollen den Konsul sprechen?«
»Na ja, wenn’s möglich wäre …«
»Wollen Sie oder wollen Sie nicht?« herrschte er mich an.
O Jupiter! Der Konsul war auf dem Gut! (Damit hatte ich nicht im Traum gerechnet.)
Mein Begleiter schwankte leicht; offenbar hielt er sich nur unter großen Schmerzen aufrecht. »Geben Sie mir Ihren Arm!« befahl er gebieterisch. »Kommen Sie!«
Es gab kein Entkommen. Ich sah Larius draußen im Karren warten, aber der Winzer klammerte sich fest an meinen Arm. Ich nahm ihm vorsorglich den Weinkrug ab.
Da ging er dahin, mein schöner Plan, erst ein Schlückchen von seinem feurigen Vesuver zu probieren, ihm dabei geschickt auf den Zahn zu fühlen und dann zu verduften, bevor irgend jemand mich bemerkt hatte …
Als wir auf die Front des Hauptgebäudes zuschritten, sah ich, daß es eine große zweistöckige Villa mit Mittelerker war, von dem man gewiß eine herrliche Aussicht über die Bucht hatte. Und das Haus war keineswegs verschlossen! Aus den Fenstern im Obergeschoß hing Bettzeug zum Lüften, während im Schatten zwischen den Säulen Pflanzenkübel standen, die man offenbar eben erst gegossen hatte, denn sie waren noch tropfnaß. Zwei langgestreckte Seitenflügel umrahmten den feudalen Portikus. Hinter dem imposanten Prachtbau stieg eine Rauchfahne auf, vermutlich vom Kamin eines Badehauses. Der Flügel gleich über uns hatte einen Dachgarten; als ich den Kopf in den Nacken legte, erkannte ich fächerförmig am Spalier gezogene Pfirsichbäume und exotische Blütengewächse, die sich malerisch um die Balustrade rankten.
Ich wuchtete den Türgriff im Bronzemaul eines Löwenhauptes hoch, öffnete das Tor und ließ meinem Gefährten den Vortritt. In dem luftigen Atrium blieb er stehen, um seine Kräfte
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