Bronzeschatten
Versuch, Pertinax zu verleugnen. »Haben Sie meinen Sohn gekannt?« Interessante Frage: Konnte alles mögliche bedeuten.
»Ich bin ihm einmal begegnet«, räumte ich vorsichtig ein. Daß der tückische junge Dreckskerl mich damals brutal hatte zusammenschlagen lassen, behielt ich lieber für mich. »Betrachten Sie bitte mein Erscheinen als Geste der Wiedergutmachung, Konsul. Ein Schiff, die Circe , wird Ihnen zurückerstattet. Sie liegt in der Mündung des Sarnus in Pompeji vor Anker und steht Ihnen ab sofort zur Verfügung.«
Ein meertüchtiges Handelsschiff: für einen ärmeren Mann ein Lebensretter. Für einen Multimillionär wie Marcellus nichts weiter als ein Segler seiner Flotte, an dessen Existenz sein Buchhalter ihn hin und wieder erinnerte. Trotzdem polterte er sofort los: »Ich dachte, ihr hättet die Circe in Ostia beschlagnahmt!«
Diese gründliche Kenntnis der Hinterlassenschaft seines Adoptivsohns machte mich stutzig. In meinem Beruf gibt einem manchmal schon die nebensächlichste Unterhaltung wertvolle Hinweise (ein Hitzkopf kann sich dabei leicht verrennen und Indizien vermuten, wo nie welche waren …).
Da ich sah, daß ihm meine Spekulationen nicht entgangen waren, versicherte ich gelassen: »Ich habe veranlaßt, daß man die Circe hierher überführt. Sie gehört wieder Ihnen.«
»Verstehe. Werde ich dazu Papiere brauchen, die mich als Eigner ausweisen?«
»Wenn Sie mir Schreibzeug zur Verfügung stellen, Konsul, dann bekommen Sie sofort das Zertifikat.« Er nickte, und ein Sklave brachte Papyrus und Tinte.
Ich benutzte meine eigene Binsenfeder. Seine Leute staunten nicht schlecht, daß ein heruntergerissener Schmutzfink wie ich schreiben konnte. Es war ein schöner Augenblick. Sogar Helena Justina lächelte über den Irrtum der Sklaven.
Ich unterzeichnete mit schwungvollem Schnörkel und drückte dann meinen Siegelring in den Wachstropfen, den der Sekretär mißmutig für mich aufs Blatt tröpfeln ließ. (Das Siegel verschmierte ein bißchen, aber das war nicht weiter schlimm; mein Ring war damals so abgewetzt, daß man sowieso nicht mehr darauf entziffern konnte als ein einbeiniges Kerlchen mit halbem Kopf.)
»Sonst noch etwas, Falco?«
»Ich versuche, einen Freigelassenen von Pertinax zu finden, dem ein persönliches Legat ausgesetzt wurde. Er heißt Barnabas und stammt vom Gut des leiblichen Vaters Ihres Adoptivsohns. Können Sie mir da weiterhelfen?«
»Barnabas …« stammelte er mit zittriger Stimme.
»Oh, aber du kennst doch Barnabas !«ermunterte Helena Justina ihn vom anderen Ende des Zimmers her.
Ich schwieg nachdenklich und verstaute meine Feder in meinem Ledertäschchen. »Atius Pertinax und sein Freigelassener hätten einander sehr nahe gestanden, heißt es. Barnabas hat den Leichnam Ihres Sohnes aus dem Gefängnis geholt und sein Begräbnis ausgerichtet. Und Sie wollen mir weismachen, daß er sich danach nie mehr gemeldet hat?«
»Wir hatten nichts mit ihm zu schaffen«, versetzte Marcellus kühl. Ich kannte die Spielregeln. Konsuln sind wie die Chaldäer, die einem das Horoskop stellen: Sie lügen nie. »Sie sagen ja selbst, daß er aus Calabria stammt; ich schlage vor, Sie suchen dort nach ihm!« Eigentlich hatte ich vorgehabt, mich auch noch nach dem verschwundenen Sportsegler Crispus zu erkundigen, aber irgend etwas hielt mich zurück. »War das alles, Falco?«
Ich nickte, ohne zu widersprechen.
Diese Unterredung hatte mehr Fragen aufgeworfen als geklärt. Aber mit einer harten Konfrontation war hier nichts zu machen; ich hielt es für geraten, mich zurückzuziehen. Für Caprenius Marcellus existierte ich schon nicht mehr. Er begann einen qualvollen Kampf mit seinen steifen Gliedern, um sich vom Diwan zu erheben. Offensichtlich gehörte er zu jener Sorte Kranker, die gern viel Wesen um sich und ihr Leiden machen; ich kannte ihn zwar erst seit einer halben Stunde, aber trotzdem hatte es mich mißtrauisch gemacht, daß seine Schmerzen so ganz nach Belieben kamen und gingen.
Sein Gefolge rückte an. Auch Helena Justina bemühte sich um den Alten; ich nickte kurz, für den Fall, daß sie es zu bemerken geruhte, und ging hinaus.
Noch bevor ich das Atrium erreicht hatte, erklang der rasche, leichte Schritt, den ich so gut kannte, hinter mir.
»Ich habe eine Nachricht von meinem Vater, Falco. Ich komme ans Tor!«
XXXII
Larius, der sich nie von hochherrschaftlichen Villen einschüchtern ließ, hatte unseren Ochsen an Marcellus’ elegantem Kutschbock geparkt.
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