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Brooklyn

Brooklyn

Titel: Brooklyn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colm Tóibín
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bekomme ich eine Liste von sämtlichen Einzelteilen, und bei alten Motoren können bestimmte Teile Seltenheitswert haben. Ich weiß, wo sie aufbewahrt werden und ob sie verkauft werden. Ich habe ein System ausgearbeitet, mit dem man alles leicht finden kann. Ich hab nur ein Problem.«
    »Nämlich?«
    »Die meisten Leute, die in der Firma arbeiten, bilden sich ein, sie hätten das Recht, jedes Ersatzteil mitzunehmen, das irgendein Kumpel von ihnen vielleicht brauchen könnte.«
    »Und was tust du da?«
    »Ich habe den Boss davon überzeugt, dass wir jedem, der bei uns arbeitet, alles, was er will – in einem vernünftigen Rahmen –, zum halben Preis überlassen sollten, und dadurch haben wir die Sache etwas in den Griff bekommen, aber geklaut wird nach wie vor. Die Aufsicht über den Lagerbestand habe ich bekommen, weil mich ein Freund des Bosses empfohlen hatte. Ich stehle keine Ersatzteile. Nicht weil ich besonders ehrlich wär oder so. Ich weiß einfach, dass man mich erwischen würde, und das möchte ich nicht riskieren.«
    Er wirkte unschuldig und ernst, während er sprach, aber auch nervös – als würde er zur Schau gestellt und fragte sich, was sievon ihm und dem Leben, das er nun führte, denken mochte. Ihr fiel nichts ein, wodurch er normaler, mehr er selbst sein würde – außer noch mehr Fragen.
    »Siehst du Pat und Martin oft?«
    »Du klingst wie ein Quizmaster.«
    »Deine Briefe sind wunderbar, aber sie verraten uns nie irgend etwas von dem, was wir wissen möchten.«
    »Es gibt nicht viel zu sagen. Martin wechselt zu oft, aber vielleicht behält er die Stelle, die er zur Zeit hat. Aber Samstag abends treffen wir drei uns immer. Erst Pub und dann Tanzlokal. Samstag abends putzen wir uns immer richtig heraus. Es ist schade, dass du nicht nach Birmingham kommst, du würdest Samstag abends einen richtigen Aufruhr auslösen.«
    »Klingt ja entsetzlich, so wie du es sagst.«
    »Es ist große Klasse. Es würde dir Spaß machen. Es gibt mehr Männer als Frauen.«

    Sie schlenderten durch das Zentrum, wurden langsam etwas unbefangener, lachten sogar, während sie sich unterhielten. Zwischendurch, fiel ihr auf, redeten sie wie verantwortungsbewusste Erwachsene – er erzählte ihr von der Arbeit und von den Wochenenden –, und dann wurden sie plötzlich wieder zu Kindern oder Halbwüchsigen, zogen sich gegenseitig auf oder erzählten sich Witze. Es kam ihr komisch vor, dass Rose oder ihre Mutter nicht vom einen Augenblick zum andern erscheinen und ihnen sagen konnten, sie sollten ruhig sein, und dann wurde ihr in derselben Sekunde bewusst, dass sie in einer großen Stadt waren und niemandem Rechenschaft schuldeten und bis fünf nichts zu tun hatten: dann würde sie ihre Koffer abholen und ihre Fahrkarte an der Absperrung abgeben müssen.
    »Könntest du dir vorstellen, je wieder endgültig heimzukommen?« fragte sie ihn, während sie vor dem Mitttagessen weiter ziellos durch das Stadtzentrum spazierten.
    »Ach, mich zieht da nichts mehr hin«, sagte er. »In den ersten paar Monaten fand ich mich überhaupt nicht zurecht und hatte wahnsinniges Heimweh. Ich hätte sonstwas dafür getan, um wieder nach Haus zu können. Aber jetzt habe ich mich eingewöhnt, und ich weiß meine Lohntüte und meine Unabhängigkeit zu schätzen. Mir gefällt, dass mein jetziger Boss und auch der Boss an meinem vorigen Arbeitsplatz nie irgendwelche Fragen gestellt haben; für mich entschieden haben sich beide nur wegen meiner Leistungen. Sie fallen mir nie auf die Nerven, und wenn man ihnen einen Vorschlag macht, wie sich etwas besser organisieren ließe, hören sie einem zu.«
    »Und wie sind die englischen Mädchen?« fragte Eilis.
    »Eins davon ist sehr nett«, erwiderte Jack. »Für den Rest kann ich mich nicht verbürgen.« Er errötete.
    »Wie heißt sie?«
    »Ich sag dir nichts mehr.«
    »Ich erzähl’s Mama auch nicht.«
    »Das habe ich schon mal gehört. Ich hab dir jetzt genug erzählt.«
    »Ich will hoffen, du schleppst sie Samstag abends nicht in irgendein Wanzenloch.«
    »Sie ist eine gute Tänzerin. Sie hat nichts dagegen. Und es ist kein Wanzenloch.«
    »Und haben Pat und Martin auch eine Freundin?«
    »Martin wird ständig versetzt.«
    »Und ist Pats Freundin auch Engländerin?«
    »Du willst mich ja nur aushorchen. Kein Wunder, dass ich mich mit dir treffen sollte.«
    »Ist sie auch Engländerin?«
    »Sie ist aus Mullingar.«
    »Wenn du mir nicht sagst, wie deine Freundin heißt, erzähl ich’s

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