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Brooklyn

Brooklyn

Titel: Brooklyn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colm Tóibín
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viel über Mr. Kehoe reden. Er war mit dem ganzen gemeinsamen Geld nach Westen gegangen und hatte seine Frau mit Schulden, dem Haus an der Clinton Street und ohne jedes Einkommen sitzenlassen. Das sei auch der Grund, sagte Father Flood, warum Mrs. Kehoe Zimmer vermietete, außer an Eilis noch an fünf andere Mädchen.
    Mrs. Kehoe hatte im Parterre ihr eigenes Wohnzimmer, Schlafzimmer und Bad. Sie hatte ihr eigenes Telefon, nahm aber, wie sie Eilis klipp und klar sagte, unter keinen Umständen Anrufe für die Mieterinnen entgegen. Zwei Mädchen wohnten im Souterrain und vier in den oberen Geschossen; zur gemeinsamen Benutzung stand ihnen eine große Küche im Parterre zur Verfügung, wo ihnen Mrs. Kehoe ihre Abendmahlzeit servierte. Sie durften sich dort, wie Eilis erfuhr, jederzeit Tee oder Kaffee machen, solange sie ihr eigenes Geschirr benutzten und es anschließend selbst spülten, abtrockneten und wegräumten.
    Sonntags ließ sich Mrs. Kehoe grundsätzlich nicht blicken, und dann mussten die Mädchen selbst kochen und darauf achten, keine Unordnung zu hinterlassen. Sie erzählte Eilis, dass sie sonntags zur Frühmesse ging, und am Abend kamen dann Freundinnen zu einem altmodischen, ernsthaften Pokerspiel. Sie redete vom Pokerspiel so, bemerkte Eilis in einem Brief nach Haus, als ob es ebenfalls eine sonntägliche Pflicht sei und sie sie nur erfülle, weil sie nun einmal vorgeschrieben sei.
    Jeden Abend standen sie vor dem Essen feierlich auf, falteten die Hände, und Mrs. Kehoe sprach das Tischgebet. Sie konnte es nicht leiden, wenn die Mädchen bei Tisch miteinander sprachen oder sich über Dinge unterhielten, von denen sie nichts wusste, und sie missbilligte jede Erwähnung von männlichen Bekanntschaften.Was sie hauptsächlich interessierte, waren Kleider und Schuhe und wo man sie kaufen konnte und zu welchem Preis und zu welcher Zeit des Jahres. Sich ändernde Moden und neue Trends waren ihr tägliches Thema, auch wenn sie selbst, wie sie häufig erklärte, zu alt für manche neuen Farben und Schnitte war. Dennoch war sie tadellos gekleidet, und nichts von dem, was ihre Mieterinnen trugen, entging ihrer Aufmerksamkeit. Sehr gern diskutierte sie auch über Hautpflege und verschiedene Hauttypen und deren spezifische Probleme. Mrs. Kehoe ließ sich einmal die Woche, am Samstag, die Haare legen, jedesmal von derselben Friseuse, bei der sie mehrere Stunden verbrachte, so dass ihr Haar für den Rest der Woche perfekt aussah.
    Auf Eilis’ Etage, im vorderen Schlafzimmer, wohnte Miss McAdam aus Belfast, die als Sekretärin arbeitete und bei Tisch am wenigsten über Mode zu sagen hatte, es sei denn, es ging dabei um die steigenden Preise. Sie war sehr etepetete, wie Eilis in einem Brief nach Hause schrieb, und hatte Eilis um den Gefallen gebeten, nicht alle Toilettensachen im Bad herumliegen zu lassen, wie das die anderen Mädchen taten. Die anderen Mädchen vom Stock über ihnen waren jünger als Miss McAdam, schrieb Eilis in ihrem Brief, und mussten regelmäßig von Mrs. Kehoe und Miss McAdam zurechtgewiesen werden. Eine von ihnen, Patty McGuire, war im Norden des Staates New York geboren und arbeitete jetzt, so wie Eilis, in einem großen Kaufhaus in Brooklyn. Sie war mannstoll, bemerkte Eilis. Pattys beste Freundin wohnte im Souterrain; sie hieß Diana Montini, aber ihre Mutter war Irin, und sie hatte rotes Haar. Wie Patty sprach sie mit amerikanischem Akzent.
    Diana beklagte sich ständig über das von Mrs. Kehoe zubereitete Essen, weil es, betonte sie, zu irisch sei. Jeden Freitag und Samstag abend putzten sie und Patty sich heraus, wozu sie Stunden brauchten, und gingen dann zu Vergnügungen, ins Kino oder in Tanzlokale – wo auch immer es Männer gab, wie Miss McAdamsäuerlich sagte. Zwischen Patty und Sheila Heffernan, die sich den obersten Stock teilten, gab es immer Krach wegen nächtlichen Lärms. Sheila, die ebenfalls älter als Patty und Diana war, kam aus Skerries und arbeitete als Sekretärin. Als Mrs. Kehoe Eilis den Grund für die Kräche erklärte, warf Miss McAdam, die gerade im Zimmer war, ein, sie sehe keinen Unterschied zwischen den beiden und der Unordnung, die sie immer hinterließen, und ihrer Unart, ihre Seife und ihr Shampoo und sogar ihre Zahnpasta zu benutzen, wenn sie dumm genug war, sie im Bad liegenzulassen.
    Sie beklagte sich andauernd, sowohl Patty und Sheila selbst als auch Mrs. Kehoe gegenüber, über den Lärm, den sie mit ihren Schuhen auf der Treppe und auf dem Fußboden oben

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