Brooklyn
dann zugelassen, wenn sie Briefe schrieb oder erhielt oder wenn sie aus einem Traum aufwachte, in dem ihre Mutter oder ihr Vater oder Rose oder die Zimmer des Hauses in der Friary Street oder die Straßen der Stadt aufgetaucht waren. Sie fand es seltsam, dass allein schon die Vorfreude auf etwas sie einen Moment lang zu der Annahme verleiten konnte, es müsste die Vorfreude auf zu Hause sein.
An Mrs. Kehoes Tisch bewirkte die Tatsache, dass Eilis Dolores im Stich gelassen hatte, was Patty mitbekommen und am Samstag morgen noch vor dem Frühstück den anderen erzählt hatte, dass alle wieder mit ihr redeten, und zwar einschließlich Dolores. Dass sie im Stich gelassen worden war, fand sie völlig nachvollziehbar, da es schließlich dazu geführt hatte, dass Eilis einen Mann kennengelernt hatte. Im Gegenzug wollte Dolores lediglich etwas über den Verehrer wissen, seinen Namen etwa und seinen Beruf und wann Eilis vorhabe, ihn wiederzusehen. Alle übrigen Mitbewohnerinnen hatten ihn gleichfalls gründlich in Augenschein genommen; sie fanden, dass er gut aussah, wenngleich Miss McAdam ihn sich etwas größer gewünscht hätte und Patty seine Schuhe nicht gefielen. Alle gingen davon aus, er sei Ire oder zumindest von irischer Herkunft, und alle wollten von Eilis hören, wie er sie dazu gebracht hatte, auch die zweite Runde mit ihm zu tanzen, und ob sie am folgenden Freitag abend wieder zum Tanzen ging und erwartete, ihn dort zu treffen.
Als sie am folgenden Donnerstag abend hinaufging, um sich eine Tasse Tee zu machen, traf sie in der Küche Mrs. Kehoe.
»Zur Zeit ist in diesem Haus der Leichtsinn ausgebrochen«, sagte Mrs. Kehoe. »Diese Diana hat eine schreckliche Stimme, die Arme. Wenn sie noch ein einziges Mal quiekt, muss ich den Doktor oder den Tierarzt holen, damit er ihr was zur Beruhigung gibt.«
»Das kommt alles vom Tanzen«, sagte Eilis trocken.
»Nun, ich werde Father Flood bitten, eine Predigt über die Übel des Leichtsinns zu halten«, sagte Mrs. Kehoe. »Vielleicht könnte er in seiner Predigt noch auf ein paar weitere Dinge eingehen.«
Und damit verließ sie den Raum.
Freitag abend um halb neun klingelte Tony an der Haustür, und bevor Eilis aus der Souterraintür schlüpfen und ihn vor der drohenden Gefahr warnen konnte, machte ihm Mrs. Kehoe auf. Bis Eilis an der Haustür war, hatte Mrs. Kehoe, wie Tony ihr später erzählte, ihn schon alles mögliche gefragt, unter anderem nach seinem vollständigen Namen, seiner Adresse und seiner Profession.
»So hat sie das genannt«, sagte er. »Meine Profession.«
Er grinste so, als sei ihm noch nie im Leben etwas so Komisches passiert.
»Ist das Ihre Mom?« fragte er.
»Ich hab Ihnen doch schon gesagt, dass meine Mom, wie Sie das nennen, in Irland ist.«
»Stimmt, haben Sie gesagt, aber diese Frau sah so aus, als ob Sie ihr gehören würden.«
»Sie ist meine Hauswirtin.«
»Haus drachen würde ich eher sagen. Und ein sehr neugieriger dazu.«
»Ach übrigens, wie ist nun eigentlich Ihr vollständiger Name?«
»Sie wollen wissen, was ich Ihrer Mom gesagt habe?«
»Sie ist nicht meine Mom.«
»Sie wollen meinen wirklichen Namen wissen?«
»Ja, ich will Ihren wirklichen Namen wissen.«
»Mein wirklicher, vollständiger Name ist Antonio Giuseppe Fiorello.«
»Und welchen Namen haben Sie meiner Hauswirtin genannt?«
»Ich habe ihr gesagt, ich heiße Tony McGrath. Weil ich auf der Arbeit einen Kollegen hab, der Billo McGrath heißt.«
»Ach herrje. Und was haben Sie ihr gesagt, was Ihr Beruf wäre?«
»Mein wirklicher?«
»Wenn Sie mir keine vernünftige Antwort geben –«
»Ich hab ihr gesagt, ich wäre Klempner, und zwar deswegen, weil ich einer bin.«
»Tony?«
»Ja?«
»In Zukunft, falls ich Ihnen je erlauben sollte, mich wieder abzuholen, werden Sie still und leise zur Souterraintür kommen.«
»Und mit niemand ein Wort wechseln?«
»Jawohl.«
»Soll mir recht sein.«
Er nahm sie mit in einen Diner, wo sie zu Abend aßen, und dann gingen sie zum Tanzsaal. Unterwegs erzählte sie ihm von ihren Mitbewohnerinnen und ihrer Arbeit im Bartocci’s. Er seinerseits erzählte ihr, er sei der älteste von vier Söhnen und wohne noch immer bei seinen Eltern, in Bensonhurst.
»Und ich musste meiner Mom versprechen, nicht zuviel zu lachen oder Witze zu erzählen«, sagte er. »Sie sagte, irische Mädchen wären nicht so wie die italienischen. Sie wären ernst.«
»Sie haben Ihrer Mom erzählt, dass Sie mit mir verabredet sind?«
»Nein,
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