Brooklyn
ihr. »Und wenn wir gewinnen, dreht er erst recht durch, und Frankie mit ihm.«
»Was wäre also besser«, fragte sie, »gewinnen oder verlieren?«
»Gewinnen«, sagte er.
Tony und Frank zogen los, um noch mehr Hotdogs und Bier und Soda zu besorgen.
»Haltet uns die Plätze frei«, sagte Tony und grinste.
»Ja, haltet uns die Plätze frei«, wiederholte Frank.
Als die Spieler endlich erschienen, sprangen alle vier Brüder auf; jeder versuchte die einzelnen Spieler als erster zu identifizieren, aber schon bald, als etwas geschah, das ihm zu missfallen schien, setzte Tony sich niedergeschlagen wieder hin. Einen Augenblick lang hielt er ihre Hand fest.
»Sie sind alle gegen uns«, sagte er.
Doch als das Spiel begann, setzte er zu einem fortlaufenden Kommentar an, der sich jedesmal, wenn irgend etwas passierte, zu einem Höhepunkt steigerte. Manchmal, wenn Tony den Mund hielt, übernahm Frank und lenkte ihrer aller Aufmerksamkeit aufirgend etwas, nur um von Maurice zum Schweigen aufgefordert zu werden, der jede Sekunde des Spiels mit langsamer, bewusster Konzentration verfolgte und kaum ein Wort sagte. Dennoch spürte sie, dass er noch mehr Anteil nahm, noch aufgeregter war als Tony, der doch unentwegt schrie, anfeuerte, gut zuredete, johlte.
Es gelang ihr einfach nicht, dem Spiel zu folgen, sie begriff nicht, wie man Punkte erzielte oder was einen guten oder einen schlechten Schlag ausmachte. Ebensowenig konnte sie erkennen, wer welcher Spieler war. Und das Spiel war insgesamt genauso langsam, wie Patty und Diana vorhergesagt hatten. Sie wusste allerdings, dass sie nicht auf die Toilette durfte, da möglicherweise genau der Augenblick, in dem sie sich entschuldigte, der Augenblick sein würde, den sie auf keinen Fall verpassen durfte.
Während sie still dasaß und das Spiel verfolgte und versuchte, seine komplizierten Rituale zu verstehen, ging ihr auf, dass sie sich trotz Tonys ständigen Gezappels und der Schreie, mit denen er Frank aufforderte, aufzupassen, und seine von Äußerungen reiner Verzweiflung gefolgten Jubelrufe nicht ein einziges Mal über ihn ärgerte. Sie fand das seltsam und fing an, ihn manchmal aus dem Augenwinkel, manchmal ganz offen zu beobachten, und stellte fest, wie komisch er war, wie lebendig, wie anmutig, wie aufgeweckt. Außerdem gefiel ihr mehr und mehr, wie sehr er sich amüsierte – noch mehr als seine Brüder, unverhohlener, mit mehr Humor und einer ansteckenderen Unbekümmertheit. Es störte sie nicht, ja sie genoss es fast, dass er sie überhaupt nicht beachtete und es Maurice überließ, ihr, wenn er konnte, zu erklären, was gerade passierte.
Tony war so in das Spiel vertieft, dass sie Muße hatte, ihre Gedanken bei ihm verweilen, ihm entgegentreiben zu lassen und festzustellen, wie verschieden von ihr er in jeglicher Hinsicht war. Die Vorstellung, dass er sie niemals so sehen würde, wie sie das Gefühl hatte, ihn jetzt zu sehen, bedeutete für sie eine unendliche Erleichterung, eine befriedigende Lösung. Allmählich wurde sievon seiner Begeisterung und der der Menge angesteckt, bis sie schließlich so tat, als könnte sie dem Geschehen folgen. Sie feuerte die Dodgers ebenso an wie alle in ihrer Umgebung; und dann folgte sie Tonys Blickrichtung, schaute auf das, worauf er zeigte, und lehnte sich schweigend zurück, als es so aussah, als würde die Mannschaft verlieren.
Schließlich, nach fast zwei Stunden, standen alle auf. Sie, Tony und Frank wollten sich, sobald sie von den Toiletten zurückgekehrt wäre, an der Schlange vor dem Hotdogs-Stand treffen, der ihren Sitzplätzen am nächsten war. Sie hatte jetzt Durst und wollte, als sie die beiden am Anfang der Schlange gefunden hatte, soweit wie möglich ein Teil der ganzen Veranstaltung sein, bestellte daher ebenfalls ein Bier, das erste ihres Lebens, und versuchte, den Senf und den Ketchup mit der gleichen eleganten Bewegung wie Tony und Frank über das Würstchen zu spritzen. Als sie zu ihren Plätzen zurückkehrten, hatte das Spiel schon wieder angefangen. Sie fragte Maurice, ob es wirklich erst zur Hälfte um war, und er erklärte, dass es beim Baseball keine Halbzeit gebe, die Unterbrechung komme erst gegen Ende, nach dem siebten Inning, und sie sei eher etwas wie eine Atempause – ein stretch , wie man dazu sagte. Ihr ging auf, dass er der einzige der vier Brüder war, der auch nur ungefähr ahnte, wie abgrundtief ihre Unwissenheit in Sachen Baseball war. Sie lehnte sich zurück und lächelte in sich hinein bei
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