Brooklyn
dem Gedanken, wie seltsam das alles war, wie wenig es für sie, selbst in jenen Momenten, in denen sie das Geschehen auf dem Spielfeld am allerunbegreiflichsten fand, zu bedeuten schien. Sie wusste nur, dass Glück und Erfolg aus dem einen oder anderen Grund den Brooklyn Dodgers wieder einmal nicht beschieden waren.
Da Eilis Thanksgiving bei Tonys Familie verbrachte, meinte seine Mutter, sie könnte auch Weihnachten kommen, und fragte fast beleidigt, als Eilis ablehnte, ob ihr das Essen nicht geschmeckthabe. Eilis erklärte, sie könne Father Flood nicht im Stich lassen und werde auch dieses Jahr im Gemeindesaal arbeiten. Tony und seine Mutter sagten ihr wiederholt, jemand anders könne für sie einspringen, aber sie ließ sich nicht umstimmen. Sie hatte ein etwas schlechtes Gewissen, weil die anderen das für einen Akt selbstloser Mildtätigkeit hielten, während sie tatsächlich lieber im Gemeindesaal arbeiten wollte als erst bei ihnen zu Abend zu essen und dann einen Tag lang in der kleinen Wohnung mit Tony und seiner Familie herumzusitzen. Sie mochte sie, jeden einzelnen von ihnen, und fand die Unterschiede zwischen den vier Brüdern faszinierend, aber manchmal war für sie das Vergnügen, nach einem gemeinsamen Mittag- oder Abendessen wieder allein zu sein, größer als das Vergnügen, das ihr die Mahlzeit selbst bereitet hatte.
In den Tagen nach Weihnachten sah sie Tony jeden Abend. An einem dieser Abende erklärte er ihr, was er und seine Brüder vorhatten: Er, Maurice und Laurence hatten zu einem sehr günstigen Preis ein Grundstück auf Long Island gekauft, das sie erschließen wollten. Es würde einige Zeit dauern, sagte er, vielleicht ein oder zwei Jahre, denn es gab noch keinerlei Infrastruktur und sah vorerst schlicht wie ein Stück Brachland aus. Aber sie wussten, dass es bald an das städtische Versorgungsnetz angeschlossen würde. Was jetzt Einöde war, sagte Tony, würde binnen weniger Jahre asphaltierte Straßen und Wasser und Strom haben. Ihr Grundstück bot genügend Platz für fünf Häuser, jeweils mit einem eigenen Garten. Maurice würde einen Abendkurs in Kalkulation und Kostenüberwachung besuchen, und Tony und Laurence würden alle Installations- und Zimmermannsarbeiten übernehmen.
Das erste Haus, erklärte er, war für die Familie bestimmt; seine Mutter wünschte sich sehnlichst einen Garten und ein richtiges eigenes Haus. Und dann, sagte er, würden sie drei weitere Häuser bauen und sie verkaufen. Aber Maurice und Laurence hatten ihn gefragt, ob er nicht das fünfte Haus für sich haben wolle, und erhatte ja gesagt, und jetzt wollte er wissen, ob sie gern in Long Island wohnen würde. Der Ozean, sagte er, war ganz in der Nähe, und ein Bahnhof nicht weit. Aber er wollte ihr das Grundstück noch nicht zeigen, weil jetzt Winter war und alles kahl und öde und es nichts zu sehen gab außer nackter Erde und Gestrüpp. Das Haus werde ihnen gehören, sagte er, sie könnten es selbst entwerfen.
Sie sah ihn aufmerksam an, weil sie wusste, dass er ihr auf diese Art und Weise nicht nur einen Heiratsantrag machte, sondern gleichzeitig auch suggerierte, dass die Heirat als solche schon eine stillschweigend abgemachte Sache war. Was er ihr jetzt präsentierte, waren lediglich die Details des Lebens, das er ihr bieten konnte. Später, sagte er, würden er und seine zwei Brüder eine Firma gründen und Häuser bauen. Vorerst sparten sie und machten Pläne, aber mit ihren jeweiligen Fähigkeiten und diesem ersten Grundstück würde es nicht lange dauern, bis sie alle ein viel besseres Leben führen konnten. Sie erwiderte darauf nichts. Es rührte sie fast zu Tränen, was er da vorschlug, und wie sachlich er sprach und wie ernst und aufrichtig. Sie wollte nicht sagen, dass sie es sich überlegte, weil sie wusste, wie das vielleicht geklungen hätte. Also nickte sie statt dessen lediglich, lächelte, streckte die Hände aus und umfasste die seinen und zog ihn an sich.
Sie schrieb Rose noch einmal an die Büroadresse und erzählte ihr, wie weit die Dinge gediehen waren; sie versuchte, Tony zu beschreiben, aber es war schwierig, ihn dabei nicht zu jungenhaft oder albern oder leichtsinnig erscheinen zu lassen. Sie erwähnte, dass er nie zotige Ausdrücke verwendete oder fluchte, weil sie fand, Rose müsste unbedingt wissen, dass er ganz anders als jeder Mann bei ihnen zu Hause war, dass dies eine andere Welt war und Tony sich in dieser Welt aus der Masse heraushob, obwohl er mit seiner Familie in zwei
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