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Brooklyn

Brooklyn

Titel: Brooklyn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colm Tóibín
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beide Platz zu schaffen, ehe sich die Tür wieder schloss.
    »Wie lang wird die Fahrt dauern?« fragte sie.
    »Eine Stunde, vielleicht mehr, hängt davon ab, wie oft er hält. Aber Kopf hoch, denk an die hohen Wellen.«
    Als sie endlich ankamen, erwies sich der Strand als genauso überfüllt wie der Zug. Eilis bemerkte, dass Tony während der Fahrt nicht aufgehört hatte zu lächeln, obwohl ein Mann, von seiner Frau ermutigt, ihn die ganze Zeit absichtlich gegen eine Tür gedrückt hatte. Als er jetzt die Menschenmenge am Strand musterte, wo es für Neuankömmlinge überhaupt keinen Platz gab,schien er zu meinen, die vielen Leute seien ausschließlich zu seinem Vergnügen dort plaziert worden. Sie gingen die Promenade entlang, aber die einzige Lösung, erkannte Eilis, bestand darin, irgendein winziges freies Fleckchen in Beschlag zu nehmen und dann zu sehen, ob sie es nicht schafften, einfach weil sie nun mal da waren, es so weit auszudehnen, dass sie ihre Sachen auspacken und sich in die Sonne legen konnten.
    Diana und Patty hatten sie gewarnt, dass sich in Italien niemand am Strand umzog. Die Italiener hatten die Sitte, ihre Badesachen von vornherein unter ihrer Straßenkleidung zu tragen, nach Amerika importiert. So umgingen sie die irische Angewohnheit, sich am Strand umzuziehen, die, erklärte Diana, unelegant und würdelos war, wenn nicht Schlimmeres war. Eilis wusste nicht so recht, ob sie Spaß machten, also fragte sie Miss Fortini, die ihr versicherte, das sei wahr. Sie betonte außerdem, Eilis müsse noch weiter abnehmen, und kam mit einem kleinen rosafarbenen Rasierapparat für sie an, den sie, erklärte sie, ruhig behalten könne. Trotz all dieser Vorbereitungen war Eilis bei der Vorstellung, sich vor Tony auszuziehen und sich ihm im Badeanzug zu zeigen, nervös; ihre Bemühungen, so zu tun, als sei gar nichts dabei, machten sie noch verlegener. Sie fragte sich, ob es ihm auffallen würde, dass sie sich rasiert hatte, und sie hatte das Gefühl, dass sie zu weiß war und dass ihre Oberschenkel und ihr Hintern zu dick waren.
    Tony zog sich augenblicklich bis auf seine Badehose aus und schaute dabei, wie sie zu ihrer Erleichterung feststellte, unbefangen auf die sie umgebenden Völkerscharen, während sie sich aus ihrem Kleid wand. Sobald sie fertig war, wollte er ins Wasser gehen. Er bat die Familie neben ihnen, ihre Sachen im Auge zu behalten, und dann gingen sie zum Wasser. Eilis lachte, als sie sah, wie er vor Kälte zusammenzuckte; das Meer kam ihr im Vergleich zur Irischen See richtig warm vor. Sie watete hinaus, während er sich bemühte, ihr zu folgen.
    Als sie hinausschwamm, blieb er hilflos im hüfttiefen Wasser stehen, und als sie ihm zuwinkte und ihm zurief, er solle sich nicht wie ein Kleinkind aufführen, rief er zurück, er könne nicht schwimmen. Sie schwamm gemächlich in seine Richtung, und als sie sah, was die Paare um sie herum trieben, ging ihr langsam auf, was er vorhatte. Er wollte offenbar, dass sie beide bis zum Hals im Wasser standen und sich jedesmal, wenn eine Welle über sie hinwegging, aneinander festhielten. Als sie ihn umarmte, hielt er sie fest, so dass sie nicht ohne weiteres wieder von ihm wegschwimmen konnte. Sie spürte seinen erigierten Penis, und er musste deshalb noch mehr lächeln als sonst. Als er die Arme senkte und die Hände auf ihren Hintern legen wollte, schwamm sie von ihm weg. Ihr war der Gedanke gekommen, ihm zu sagen, wer zuletzt ihren Hintern angefasst hatte. Als sie sich vorstellte, wie er darauf reagieren würde, musste sie lachen. Mit ein paar kräftigen Schwimmbewegungen entfernte sie sich von ihm und gab ihm, hoffte sie, zu verstehen, dass er sich unter Wasser ein bisschen zu viel herausnahm.
    Den ganzen Tag lang pendelten sie zwischen ihrem Platz am Strand und dem Meer hin und her. Sie setzte ihren Sonnenhut auf, und er installierte den Sonnenschirm, damit sie keinen Sonnenbrand bekamen, und er packte außerdem einen Imbiss aus, den seine Mutter vorbereitet hatte, einschließlich einer Thermosflasche eiskalte Limonade. Die wenigen Male, wenn sie allein hinausschwamm, spürte sie, dass die Wellen stärker waren als bei ihr zu Hause, und zwar merkte man es nicht so sehr an der Brandung, sondern an dem starken Sog, wenn sie sich wieder zurückzogen. Sie würde aufpassen müssen, durfte sich nicht zu weit in diese ungewohnte See hinauswagen. Tony hatte offensichtlich Angst vor dem Wasser, mochte es überhaupt nicht, dass sie von ihm wegschwamm. Jedesmal,

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