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Brooklyn

Brooklyn

Titel: Brooklyn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colm Tóibín
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würde; sie erinnerte sich außerdem, dass man ihr im Reisebüro in Brooklyn gesagt hatte, sie könne die Abreise beliebig verschieben, solange sie die Schiffahrtsgesellschaft rechtzeitig benachrichtigte. Sie beschloss kurzerhand, ein paar Wochen länger zu bleiben, und hoffte, dass es ihr im Bartocci’s niemand allzu übelnehmen würde. Es würde nicht schwierig sein, Tony zu erklären, ihre Mutter habe das Datum ihrer Abreise missverstanden, auch wenn Eilis nicht glaubte, dass ihre Mutter irgend etwas missverstanden hatte.
    »Aber vielleicht wartet in Brooklyn ja jemand sehnsüchtig auf dich?« sagte Annette anzüglich.
    »Wie zum Beispiel Mrs. Kehoe, meine Hauswirtin«, erwiderte Eilis.
    Sie wusste, sie konnte ihre Freundinnen nicht ins Vertrauen ziehen, besonders wenn sie so gemütlich beisammensaßen, ohne gleich zuviel zu verraten. Und wenn sie es ihnen erzählte, würde sie bald erfahren, dass eine ihrer Mütter ihrer Mutter gegenüber erwähnt hatte, dass Eilis einen Freund in New York hatte. Am besten, dachte sie, war es, überhaupt nichts zu sagen und statt dessen über Kleider und ihr Studium zu reden und von den anderen Mieterinnen und Mrs. Kehoe zu erzählen.
    Die beiden berichteten ihrerseits, was es Neues in der Stadt gab, wer mit wem ging oder wer vorhatte, sich zu verloben, wobei die allerjüngste Neuigkeit die war, dass Nancys Schwester, die seit Weihnachten immer wieder mal mit Jim Farrell ausgegangen war, endlich mit ihm Schluss gemacht hatte und jetzt einen neuen Freund hatte, der aus Ferns kam.
    »Mit Jim Farrell hat sie sich nur wegen einer Wette eingelassen«, sagte Nancy. »Er behandelte sie genauso rüpelhaft wie dichan dem Abend, erinnerst du dich, wie rüpelhaft er war? Und wir haben alle gewettet, dass sie ihn nicht rumkriegen würde. Und dann hat sie es doch geschafft. Aber am Ende konnte sie ihn nicht mehr ertragen, er war ein schrecklicher Typ, sagte sie, auch wenn George meint, er wäre eigentlich ein netter Bursche, wenn man ihn erst mal näher kennt, und George war mit ihm auf der Schule.«
    »George ist sehr nachsichtig«, sagte Annette.
    Jim Farrell, sagte Nancy, würde als Freund von George zur Hochzeit kommen, aber ihre Schwester verlangte, dass ihr neuer Freund aus Ferns gleichfalls eingeladen wurde. Während von Freunden und Plänen für die Hochzeit die Rede war, wurde Eilis bewusst, dass Nancy und Annette, sollte sie ihnen von ihrer eigenen heimlichen Hochzeit erzählen, an der außer Tony und ihr niemand teilgenommen hatte, mit sprachloser Verblüffung reagieren würden. Sie würden es einfach unbegreiflich finden.
    Im Laufe der nächsten paar Tage, während sie durch die Stadt schlenderte, und am Sonntag, als sie ihre Mutter zur Elf-Uhr-Messe begleitete, äußerten sich immer wieder Leute über Eilis’ schöne Kleider, ihre gepflegte Frisur und ihre Sonnenbräune. Sie versuchte, es so einzurichten, dass sie sich jeden Tag mit Annette und Nancy traf, entweder zusammen oder einzeln, und informierte ihre Mutter immer im voraus, was sie vorhatte. Als sie am folgenden Mittwoch ihrer Mutter sagte, wenn es ihr recht sei, werde sie am Tag darauf am frühen Nachmittag zusammen mit George Sheridan und Nancy und Annette nach Curracloe fahren, verlangte ihre Mutter, dass sie ihre Verabredung für den Abend absagte und sich mit ihr daranmachte, Rose’ Habseligkeiten zu sichten und zu entscheiden, was behalten und was weggegeben werden sollte.
    Sie holten die Sachen aus dem Kleiderschrank heraus und breiteten sie auf dem Bett aus. Eilis wollte klarstellen, dass sie nichts von der Garderobe ihrer Schwester brauchte und es am besten wäre, alles einem Wohltätigkeitsverein zu schenken. Aberihre Mutter war schon dabei, den Wintermantel, den Rose erst vor so kurzer Zeit gekauft hatte, und etliche Kleider, die, wie sie meinte, leicht für Eilis geändert werden konnten, beiseite zu legen.
    »Ich werde in meinem Koffer nicht viel Platz haben«, sagte Eilis, »und der Mantel ist schön, aber die Farbe ist zu dunkel für mich.«
    Noch immer mit dem Sortieren der Kleidungsstücke beschäftigt, tat ihre Mutter so, als habe sie nichts gehört.
    »Wir werden folgendes tun, wir bringen die Kleider und den Mantel morgen früh zur Schneiderin, und wenn sie erst mal die richtige Größe haben, wenn sie zu deiner neuen amerikanischen Figur passen, dann sehen sie schon ganz anders aus.«
    Jetzt war es Eilis, die sich taub stellte, während sie die unterste Schublade der Kommode herauszog und deren

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