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Brother Sister - Hoert uns einfach zu

Brother Sister - Hoert uns einfach zu

Titel: Brother Sister - Hoert uns einfach zu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sean Olin
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von den Typen loszureißen. Aber die hielten ihre Ellenbogen so fest umklammert, dass ihre Finger schon ganz weiß waren. Dann redeten sie leise auf sie ein.
    Mom schrie: »Ash! Ash!«
    Ich sagte: »Hi, Mom.« Ich war völlig fertig. Alles war mir plötzlich zu viel.
    »Geh da nicht rein!«, sagte sie. »Dein Bruder ist da drinnen.«
    »Alles klar«, sagte ich.
    »Er hat … Sag ihm … Ich kriege alles mit. Wenn er dich anrührt … Wenn er dir irgendwas antut … Er hat ja keine Ahnung …«
    Dann stießen die Typen sie auf den Rücksitz des Vans und schlugen die Tür zu.
    Einer von ihnen, so ’n Kleiner, kaum älter als ich, aber ziemlich kräftig, warf mir ein ganz merkwürdiges Lächeln zu, wie weggetreten und gleichzeitig ganz selig, als dächte er, ich müsste für seine große Güte unendlich dankbar sein. Fast hätte ich ihm gesagt, er solle sich ins Knie ficken, aber ich konnte mich gerade noch beherrschen. Sonst wäre alles nur noch schlimmer geworden.
    Als ich ins Haus trat, kam Keith mir entgegen. Er hatte seinen dreckigen Rucksack über der Schulter und wirkte ein bisschen nervös, aber wenn man bedenkt, was da gerade los war, blieb er erstaunlich ruhig. Er sagte, er würde den Jesusfans mit seinem Eagle folgen, sich um den ganzen Papierkram kümmern und ein Auge auf Mom haben.
    »Okay«, sagte ich. Mir war alles egal. Das heißt, Mom war mir natürlich nicht egal, aber alles war so kompliziert, und es machte mich so wütend. Jedenfalls war mir egal, was Keith machte. Ich wollte nur, dass er mich vorbeiließ, damit ich schnell nach Will sehen konnte, ob mit ihm alles in Ordnung war. Das glaubte ich nämlich nicht. Ich meine, bei allem, was er gerade mitgemacht haben musste. Kein Wunder, dass er meine SMS nicht beantwortet hatte.
    Aber Keith ging nicht aus dem Weg. Typisch Grusel-Keith. Er trat von einem Bein aufs andere, und ich hatte fast das Gefühl, dass er mich anfassen wollte, mir den Rücken tätscheln, mich umarmen und trösten oder so. Aber dann dachte er wohl, das gehört sich nicht … als ob er sich nicht zutraute, mich zu berühren, egal, wie harmlos es war.
    »Also dann«, sagte ich. »Tschüs. Du solltest dich beeilen, wenn du die noch einholen willst.« Dann drückte ich mich an die Wand, um an ihm vorbeizukommen.
    Ich rief nach Will, aber er antwortete nicht. Dann hab ich das ganze Erdgeschoss nach ihm abgesucht und fand ihn im Wohnzimmer. Zusammengerollt wie ein Kartoffelkäfer lag er hinter der Stereoanlage am Boden. Als hätte er sich in den engsten und verstecktesten Winkel verkrochen, den er finden konnte.
    »Will?«, sagte ich. »Alles in Ordnung? Was ist passiert?«
    Er antwortete nicht und sah mich kaum an.
    Abgesehen davon, dass Keith und Will völlig durch den Wind waren, sah die Wohnung gar nicht so aus, als wäre was Schlimmes passiert. Nicht nach unseren Maßstäben. Ich meine, es waren keine Riesenlöcher in den Wänden, die Fensterscheiben waren nicht kaputt, es lagen keine Lampen auf dem Boden. Eigentlich sah alles ganz normal aus. Nur der Couchtisch hatte einen Sprung bekommen und eine Ecke war abgebrochen.
    Ich weiß nicht, warum, aber irgendwie machte das alles nur noch schlimmer. Dieses Mal schien nichts von dem passiert zu sein, was normalerweise passiert, bevor Mom abgeholt wird. Warum hatten wir die Situation dann nicht ohne fremde Hilfe in den Griff gekriegt? Warum mussten unbedingt diese Jesusfans angerufen werden? Wir hatten ja genug Übung darin, Mom in ihr Zimmer zu sperren und dann abzuwarten, bis sie einschlief. Anscheinend hatte sie dieses Mal nicht rumrandaliert. Stattdessen musste wohl was Subtileres passiert sein. Als wäre schwarzer Rauch in den Beteiligten aufgestiegen und hätte ihre Gefühle verrußt.
    Es war so rätselhaft, dass ich später noch darüber nachdachte, aber in diesem Moment ging’s mir nur darum, Will zu helfen.
    Ich kroch zu ihm, umarmte ihn und schaukelte ihn sacht hin und her. Er war so verspannt, als hätte er Knoten in den Muskeln. Keiner von uns sagte was. Irgendwann wurde sein Körper weicher und er beruhigte sich langsam. Er schmiegte sich an mich und ließ sich von mir halten. Dann fing er an zu schluchzen. Ich hielt ihn einfach fest und schaukelte ihn weiter.
    Meine eigenen Gefühle konnte ich für den Moment wegschieben. Merkwürdigerweise war ich dieses Mal die Starke.
    Irgendwann wurde er ganz still. Dann räusperte er sich und sagte: »Sie bringen sie nach Hope Hill.« Das ist die Entzugsklinik oben in den Hügeln. Mom

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