Brother Sister - Hoert uns einfach zu
als hätte ich alles im Griff.
Ich wurde richtig übermütig und trank viel zu schnell. Ash aber auch. In knapp einer Stunde hatten wir die Flasche leer. Wir legten Musik auf und drehten die Anlage voll auf – nicht Moms langweilige Guns N’ Roses, sondern gute Musik. Unsere Musik. Wir tanzten wie wild durchs Wohnzimmer. Es war fantastisch. Man könnte fast sagen, dass es so was wie ein Reinigungsritual war: Wir wuschen uns von Mom rein. Je länger wir tanzten, desto heller und freundlicher schien es im Haus zu werden. Es war, als ob Moms böser Geist sich in Rauch auflöste und langsam abzog.
Irgendwann warfen wir uns erschöpft auf den Fußboden, blieben auf dem Teppich liegen und sahen zu, wie sich der ganze Raum um uns drehte.
»Erinnerst du dich noch an unser Spiel?«, fragte ich. »Das an den Klippen? Wenn wir ganz am Rand saßen und unsere Füße runterbaumeln ließen?«
»Das Ende der Welt.«
»Genau! Das Ende der Welt. Wir fragten uns immer, was da unten wohl für Gefahren lauern, vor allem, wenn der Nebel so dicht war und wir nichts sehen konnten. Du dachtest immer, da unten wäre alles voll mit Eiscreme.«
»Ja, klar. Denn am Ende der Welt fängt ja eine neue an, und in der ist alles aus Eiscreme. Das weiß doch jeder!«
»Wirklich alles? Aus Eiscreme? Meinst du nicht, dass wenigstens die Straßen aus Waffeln sind?«
»Nein. Hier und da gibt es vielleicht einen Sahneklecks, aber das ist auch schon alles. Sonst ist alles aus Eiscreme, so weit das Auge reicht.« Dann trat sie mit der Hacke nach mir und sagte: »Weißt du, was mir auch noch einfällt? Einmal warst du sauer auf mich und hast meine Barbie von den Klippen geworfen.«
»Stimmt. Aber nur, weil ich dir was beweisen wollte. Du konntest nicht glauben, dass jeder den Sprung von der einen Welt in die andere überlebt. Deswegen wollte ich es dir zeigen. Ich bin sofort runtergeklettert, obwohl es ganz neblig war, und das war ganz schön gefährlich, weil ich stellenweise nichts sehen konnte. Aber ich hab dir die Barbie zurückgeholt.«
»Du hast sie zwar zurückgeholt, aber mit eingeschlagenem Gesicht.«
»Trotzdem hat sie überlebt.«
»Knapp.«
»Immerhin hat sie Ken noch fünf Jahre lang genervt.«
»Ha!«, sagte Ash.
Wir lagen auf dem Fußboden und hatten das Gefühl, zu schweben. Zum ersten Mal war unsere Welt in Ordnung. Oder wenigstens waren wir voller Hoffnung.
»Ash?«, sagte ich irgendwann. Ich hatte darüber nachgedacht, was sie alles in Dad hineinfantasierte. Es wurde langsam Zeit, ihr zu sagen, dass in Wirklichkeit ich derjenige war, auf dessen Hilfe sie bauen sollte.
»Ash, wir brauchen niemanden. Wirklich nicht. Jetzt nicht und in Zukunft auch nicht. Ich schwör, dass ich dich beschützen werde. Solange wir leben. Egal, was passiert.«
Asheley
Ich hab schon immer unter S timmungsschwankungen gelitten. Wenn ich richtig unten bin, so wie an dem Abend, ist es eine unwahrscheinliche Kraftanstrengung, da wieder rauszukommen. Hinzu kam ja auch noch, dass ich Craig vermisste, trotz allem. Ich wollte ihn sehen, mit ihm reden. Er hatte ja selbst genug Familienprobleme, und ich wusste, dass es mir besser gehen würde, wenn ich mit ihm reden würde. Andererseits wollte ich nicht darum betteln.
Seit dem Abend, an dem Mom wieder abgestürzt war, hatte ich ein paar Dinge vernachlässigt, unter anderem Craig. Seit der Sache bei Shakey’s hatte ich nicht mehr mit ihm geredet. Er schickte mir noch ein paar SMS . Am Sonntag kam eine, in der er fragte: Was geht? Am nächsten Tag eine mit: Immer noch sauer? Aber irgendwie hatte ich nicht den Mut, ihm zu antworten.
Ich war noch zu sehr damit beschäftigt, mich an die neue Situation zu gewöhnen.
Am Mittwochmorgen rief Naomi an und fragte, ob ich immer noch vorhätte, zu Beccas Party zu gehen, und ich sagte: »Ja, klar! Darauf freu ich mich schon die ganze Woche.« Das stimmte zwar nicht, aber verpassen wollte ich das Ereignis auf keinen Fall. Es schien so wichtig zu sein. Der Beweis, dass ich doch noch ein Mensch war.
Will
Beccas Party?
Ja, das war wohl ein erstes Warnsignal.
Ich riet Ash, nicht hinzugehen.
Ich sagte: »Du willst nur hin, um den anderen zu beweisen, dass du genauso viel wert bist wie sie und keine Angst vor ihnen hast. In Wirklichkeit magst du diese Typen doch gar nicht. Alles Nullen. Solche Freunde hast du nicht nötig. Es spielt keine Rolle, ob sie denken, du hättest Angst vor ihnen. Bleib lieber hier und lass uns ein paar alte Folgen Lost ansehen. Das macht
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