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Brother Sister - Hoert uns einfach zu

Brother Sister - Hoert uns einfach zu

Titel: Brother Sister - Hoert uns einfach zu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sean Olin
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seine glorreiche Vergangenheit steht.
    Aber als sie an der Reihe waren und ich ihre Eiswaffeln füllte und mit Streuseln und Marshmallow-Pampe verzierte, wurden sie plötzlich ganz ernst und durchlöcherten mich mit ihren Blicken.
    »Schlimmer Tag, was?«, sagte Luke.
    »Nicht besonders.« Ich versuchte zu lächeln. Seit Naomi bei uns gewesen war, konnte ich das eigentlich nicht mehr.
    Luke machte ein Gesicht, als könnte er sich nicht entscheiden, ob er Mitleid haben oder mir seine Überlegenheit demonstrieren sollte. »Dann befindest du dich noch in der Verleugnungsphase«, sagte er.
    Toby fügte hinzu: »Die erste Phase der Trauer, Schätzchen. Du hast noch einen weiten Weg vor dir.«
    »Ich hab keine Ahnung, wovon ihr redet«, sagte ich und schob die Eiswaffeln in ihre Richtung über den Tresen.
    »Das ist nicht dein Ernst, oder?«, sagte Luke.
    »Mein voller Ernst«, sagte ich.
    »Naomi?!«
    Plötzlich hämmerte das Blut in meinen Ohren. Ich brauchte bloß den Namen zu hören, um die Fassung zu verlieren. Es hätte nicht viel gefehlt und ich wäre umgekippt.
    »Wow«, sagte Ricky. »Sie scheint’s wirklich noch nicht zu wissen.«
    »Setz dich lieber erst hin«, sagte Luke.
    Er hatte recht. Ich zog einen Barhocker mit schwarz-weißem Kuhmuster zu mir her, setzte mich und lehnte mich zurück. Ich versuchte, mir in alle möglichen Varianten auszumalen, was sie wohl sagen würden und was das für meinen Bruder und mich bedeutete. »Nun spuckt’s schon aus«, sagte ich.
    »Also gut. Kennst du die Felsen am Monarch Grove, wo die Hippies immer nackt rumhängen und sich einen Sonnenbrand nach dem anderen holen?« Luke wollte es spannend machen und gestikulierte, als ob er mir das Ganze szenisch vorspielen wollte. »Die Felsen, die ein paar Meter ins Meer ragen und bei Flut überspült werden? Heute Morgen waren da ein paar Hippies am Strand, um bei Sonnenaufgang zu meditieren oder so. Auch der Dicke war dabei, du weißt schon, der mit dem roten Haar und dem Fu-Manchu-Bart. Irgendwie ist er wohl umgeknickt, jedenfalls rutschte sein Fuß ins Wasser und stieß an was Glitschiges. Dabei hat er sich erst mal nicht viel gedacht, aber fünf Minuten später, als sie immer noch am Meditieren waren, spülten die Wellen plötzlich was an den Strand, genau da, wo der Typ ausgerutscht war. Und was, meinst du, war das? Naomi! Nein, ehrlich! Sie trug einen Taucheranzug, der einem Mann gehört haben muss. Jedenfalls war er viel zu groß für sie. Aber ihr Körper war wie aufgeblasen, fast doppelt so groß wie normal, sodass der Anzug fast passte. Ihr Kopf war eingeschlagen, wie bei einem Crashtest-Dummy. Ist das nicht ekelhaft?« Luke machte eine Pause und beobachtete ganz gespannt, wie ich reagieren würde.
    »Und traurig«, sagte Ricky.
    »Ja, traurig auch«, sagte Luke. »Ich hab nicht gesagt, dass es nicht traurig ist.«
    »Ihr beide wart doch befreundet, oder?«, fragte Ricky.
    Ich nickte und wusste nicht, was ich sagen sollte. Aber sie wollten was hören, also haute ich das Erste raus, was mir in den Kopf kam. »Nur sie? Haben sie denn nicht auch …« Ich biss mir auf die Lippen, aber der Schaden war schon angerichtet.
    Natürlich würden die drei sofort begreifen, was ich meinte. Man kann ja viel über sie sagen, aber nicht, dass sie nicht clever sind. Aber sie machten fragende Gesichter und murmelten so Sachen wie: »Was sagt sie? Was meint sie mit ›nur sie‹?« Ich musste mir also schnell etwas einfallen lassen.
    Und was machte ich? Ich brabbelte einfach drauflos. »Ach, nichts. Ich dachte nur … dass es jetzt irgendwie einen Sinn ergibt. Am Samstag bekam ich nämlich einen durchgeknallten Anruf von Craig, um drei Uhr nachts oder so. Um die Zeit bin ich natürlich nicht ans Telefon gegangen und hab seine Nachricht erst am nächsten Morgen abgehört. Er schien total aufgelöst zu sein und sagte immer wieder: ›Geh ran, bitte geh ran!‹. Er weinte und sagte, dass er es nicht mehr aushält. Er würde jetzt …« Noch während ich redete, wurde mir klar, dass ich mir damit selber eine Grube grub. Ich hatte den Überblick verloren. Aber ich konnte nicht mehr zurück, nachdem ich einmal angefangen hatte. Obwohl ich wusste, dass ich mir das Leben mit jedem weiteren Wort nur noch schwerer machte. Ich merkte, dass mir die Tränen kamen, aber ich versuchte sie zurückzuhalten. »Er würde sich jetzt umbringen. Und Naomi auch. Sie würden es gemeinsam tun. Er sagte, sie hätte genauso schrecklichen Liebeskummer wie er, wegen …

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