Brotherband - Die Bruderschaft von Skandia: Band 1 (German Edition)
von der Küste ein, links von der Stadt. Der Seevogel hob und senkte sich geschmeidig unter seinen Füßen, das Schiff ritt förmlich auf den Wellen. Die Ruderer hatten einen gleichmäßigen Rhythmus angenommen – einen, den sie notfalls stundenlang beibehalten konnten –, und Hal genoss das Gefühl, am Steuer seines eigenen Schiffs zu stehen.
Stig blickte von seiner Ruderbank auf.
»Wie macht es sich?«, fragte er.
Hal grinste ihn an. »Es gleitet wie ein echter Seevogel.«
Sie ließen Hallasholm hinter sich zurück, bis die Stadt ein verschwommener Fleck am Horizont war und nur auftauchte, wenn das Schiff sich auf dem Kamm einer Welle befand. Das müsste weit genug sein, dachte Hal. Er konnte es kaum erwarten auszuprobieren, wie sich das Schiff mit gesetzten Segeln machte.
»Stig, Ingvar«, sagte er. »Macht euch bereit, das Backbordsegel zu setzen.«
Die Jungen hatten schon seit Minuten auf diesen Befehl gewartet. Sie zogen ihre Ruder ein, verstauten sie und gingen zu dem kurzen, schweren Mast. Hal warf noch einen Blick auf den Stander, die kleine Fahne am Masttop, die ihm die Windrichtung verriet. Der Wind kam von der Steuerbordseite mit einem Winkel von etwa sechzig Grad.
Hal zögerte. Dies war der Moment, in dem er herausfinden würde, ob sein Plan aufging. Kurz erfasste ihn Unsicherheit. Was, wenn das Segel lediglich im Wind flatterte und das Boot keine Schubkraft bekäme? Er wusste, seine Freunde würden ihn nicht auslachen. Aber irgendwie würde es doch herauskommen und andere würden sich über ihn lustig machen.
Entschlossen presste er die Lippen zusammen. Es muss einfach klappen, sprach er sich Mut zu.
»Segel hissen«, befahl er.
Stig und Ingvar zogen an den Leinen, die den schlanken Baum langsam am Mast hochsteigen ließen und mit ihm das Segel. Sofort bauchte das Segel aus und flatterte im Wind.
»Ulf und Wulf, Segel trimmen.«
Das Segel wurde straffer. Als der Wind in das gestraffte Segel drückte, begann der Bug des Seevogel s unter dem Druck nach links auszuweichen. Jetzt ist es soweit, dachte Hal. Er bewegte das Steuerruder und zwang den Bug wieder nach rechts in den Wind hinein.
Das Schiff gehorchte und schwang zurück, bis sie hart am Wind segelten. Hal verspürte eine unglaubliche Erleichterung. Er hörte, wie die anderen jubelten.
Sie hatten noch nie vorher ein Schiff auf diese Weise segeln gesehen. Hal schätzte, dass sie ungefähr in einem Winkel von fünfundvierzig Grad zum Wind segelten. Ein gut gebautes Wolfsschiff konnte so etwa um die fünfzehn Grad schaffen. Er verstärkte den Druck auf das Steuerruder. Der Seevogel gehorchte und ging noch näher an den Wind. Als der Winkel zu steil wurde, begann das große dreieckige Segel zu flattern. Hal nahm etwas Druck vom Ruder und der Wind stabilisierte das Segel wieder und trieb das Boot erneut an.
»Der Vogel fliegt!«
Hal hatte gar nicht gemerkt, dass Stig sich zu ihm gesellt hatte. Er blickte in das begeisterte Gesicht seines Freundes. Und auch er selbst konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.
»Keine Kleinigkeiten übersehen, was?«, sagte er.
Stig schlug ihm auf die Schulter. »Nein, wirklich nicht! Der Kahn ist fantastisch! Es kann das beste Wolfsschiff überholen!«
Hal sah zu den anderen Jungen. Sie starrten verblüfft auf das Segel, und ihnen dämmerte so langsam, dass sie etwas Neues miterlebten. Etwas Aufregendes. Etwas Einzigartiges.
Sie hatten gewusst, dass Hal ein Segel entworfen hatte, aber sie hatten nie nach den Einzelheiten gefragt und auch nicht geahnt, wie wirksam es sein würde.
Mit etwa vierzig Grad zum Wind war es tatsächlich so, als flöge der Seevogel . Das Deck vibrierte unter Hals Füßen. Es war einer der aufregendsten Momente in seinem Leben. Das Holz fühlte sich an, als lebte es. Er gab beim Steuerruder etwas nach, sodass der Wind wieder mehr seitlich kam.
»Segel trimmen«, sagte er.
Stig und Ulf gingen an die Taue. Als sie das Segel strafften, wurde das Boot schneller, begann sich unter dem Druck allerdings auch mehr zu neigen.
»Locker lassen«, befahl Hal.
Sie gaben etwas Seil nach und das Boot richtete sich wieder stärker auf.
Hal stieß einen langen Freudenjauchzer aus und die anderen stimmten mit ein. Hal konnte es kaum erwarten, Thorn davon zu erzählen. Er konnte es nicht erwarten, ihm das Boot vorzuführen.
Der Seevogel glitt vom Kamm einer Welle wieder nach unten ins Wellental und die Planken waren von einem feinen silbernen Gischtnebel überzogen, doch darauf achtete
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