Brotherband - Die Bruderschaft von Skandia: Band 1 (German Edition)
werden. »Ich glaube nicht.«
»Du glaubst nicht, dass du Reffleinen brauchst?«
Hal wollte erneut eine gereizte Antwort geben, als ihm klar wurde, dass Stig recht hatte. Er hatte die Reffleinen vergessen, mit denen bei schwerem Wetter das Segel gerefft, also verkleinert wurde, damit Druck aus den Segeln genommen werden konnte. Er blickte zum Himmel.
»Ich glaube nicht, dass wir sie heute brauchen. Das Wetter sieht gut aus.«
Er versuchte, Stigs spöttischen Blick zu übersehen, und war froh, als er eine Stimme hörte, die einen Gruß rief, sodass er das Thema wechseln konnte.
»Da kommen die Zwillinge und Ingvar«, sagte er. »Und keine Sekunde zu früh«, fügte er halblaut hinzu.
Für die erste Fahrt hatte Hal vor, den Seevogel erst ein paar Meilen die Küste hinab zu rudern, bevor er das Segel hisste. Er hatte die anderen drei Jungen gebeten, mittags zum Bootssteg zu kommen, um beim Rudern zu helfen. Die drei und Stig reichten aus, um das kleine Schiff mit vernünftiger Geschwindigkeit auf See zu bringen, während er selbst das Steuerruder übernahm.
Die Jungen waren sofort einverstanden gewesen. Sie waren alle gespannt darauf, die erste Fahrt des Seevogel s mitzuerleben, und es lag eine gewisse Erwartung in der Luft, als sie an Bord gingen. Voller Interesse betrachteten sie die beiden gebogenen Bäume, dann nahmen sie ihre Plätze auf den Ruderbänken ein und sahen Hal erwartungsvoll an.
Der löste die Leinen, und der Seevogel lag jetzt frei da, um mit der Flut auszulaufen.
»An die Ruder«, befahl Hal. »Und alles vorwärts … los!«
Die vier Ruderer senkten ihre Ruder ins Wasser und zogen an.
Der Seevogel glitt nach vorne und nahm unter der Kraft des ersten kräftigen Schlags Fahrt auf. Hal verspürte eine erwartungsvolle Spannung, als das Steuerruder in seinen Händen zu Leben erwachte. Er bediente es vorsichtig, und das Schiff schwang gehorsam nach Steuerbord. Die kleinen Wellen plätscherten unter dem Bug und Hal spürte das leichte Vibrieren des Schiffs.
»Und ziehen«, rief Stig. Er gab den Rhythmus für die anderen drei vor und wiederholte dies, bis sich alle angepasst hatten. Das Schiff glitt sanft durch das geschützte Gewässer der Bucht. Nach einigen Minuten merkte Hal, dass er das Steuerruder leicht gedrückt halten musste, da der Seevogel nach Backbord abdriftete. Einen Augenblick lang fragte er sich, ob das Boot irgendeinen Fehler hatte. War der Kiel vielleicht nicht ganz gerade? Als er den Grund entdeckt hatte, musste er lächeln.
»Ingvar«, rief er, »halt dich ein wenig zurück.«
Ingvar machte ein schuldbewusstes Gesicht. Der kräftige Junge übertrug weitaus mehr Kraft in sein Ruder als die anderen. Das war der Grund für die leichte Abweichung nach Backbord. Ingvar ruderte nun mit weniger Nachdruck und blickte Hal mit seinem kurzsichtigen Blinzeln an.
»Besser?«, fragte er.
Hal ließ das Steuerruder zehn oder zwanzig Sekunden los und das Boot fuhr trotzdem geradeaus.
»So ist es gut«, antwortete er und nahm das Ruder wieder in die Hand.
»Das war Wulfs Schuld«, sagte Ulf von seinem Platz vor Ingvar. »Er zieht nie stark genug.«
»Ich ziehe dich gleich stark genug an deinen abstehenden Ohren, du krummbeiniger Affe«, fuhr Wulf ihn an. »Wie würde dir das denn gefallen?«
Hal und Stig grinsten. Es war eigenartig, dass die Zwillinge, die sich in jeder Hinsicht ähnlich sahen, ständig das Aussehen des anderen beleidigten.
»Versuch’s doch, du hässlicher Zwerg, dann kriegst du dieses Ruder auf deinen Dickschädel«, antwortete Ulf prompt.
Hal lächelte und nahm einen tiefen Atemzug der salzhaltigen Meeresluft. Die Sonne schien. Das Meer war ruhig. Eine kleine Brise war zu spüren und Ulf und Wulf zankten sich.
Alles in allem konnte man nicht mehr verlangen.
Kapitel sechs
A ls sie die Bucht verließen, nahm der Seevogel die erste Welle ohne Schwierigkeiten. Hal hatte sich breitbeinig hingestellt, um das Gleichgewicht zu halten. Zu seiner Rechten konnte er Hallasholm sehen – eine große Ansammlung von Holzhäusern. Rauch stieg aus den Schornsteinen und Hal nahm den Geruch in der salzigen Meeresluft wahr.
Die Mole, ein Schutzwall aus Felsen, der um den Hafen verlief und die Schiffe vor schwerem Wetter und Winterstürmen schützte, blockierte die Sicht auf die zwei oder drei Dutzend Wolfsschiffe und kleineren Boote, die dort vor Anker lagen, sodass man lediglich einen Wald aus Mastspitzen sah.
Hal bewegte leicht das Steuerrad und schwenkte auf einen Kurs weg
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