Broughton House - Haus der Sehnsucht
doch nur, dass wir alle glücklich werden. Und jetzt tut Marcus so, als würde ich mich bewusst über die Wünsche der anderen Familienmitglieder hinwegsetzen und mich ausschließlich auf meine konzentrieren.“ Sie schwieg einen Moment. „Ich habe die Verärgerung in seiner Stimme deutlich gehört, als wir über das Haus sprachen. Langsam frage ich mich, ob er Broughton House nicht leiden kann oder mich nicht.“
„Du weißt genau, dass Marcus dich liebt, Nell!“
„Und das Schlimmste ist: Alles, was ich bisher von unserem Architekten erfahren habe, weist daraufhin, dass das Haus gar nicht für uns geeignet ist. Ich habe so getan, als wüsste ich es nicht, und einfach weitergemacht. Ebenso wie ich mich nicht darum gekümmert habe, was Marcus mir die ganze Zeit schonend beibringen wollte. Was für eine Frau bin ich eigentlich, Jade? Ich merke nicht, wenn meine Söhne unglücklich sind … Ich weiß nicht, was mein Mann tatsächlich denkt oder fühlt … Ich erkenne nicht, dass meine Partnerin unsere geschäftliche Beziehung beenden möchte … Und mir wird nicht klar, dass meine Stieftochter glaubt, ich hätte ihr den Vater gestohlen … Frauen erkennen so etwas angeblich instinktiv … Von uns erwartet man Verständnis und Einfühlungsvermögen. Und ich …“
„Du bist auch nur ein Mensch, Nell, und kein Wunderwesen“, antwortete Jade trocken. „Du kannst nicht wissen, was in den anderen vorgeht, und ihre Gedanken nicht lesen.“
„Nein, aber ich könnte empfänglicher für ihre Wünsche sein, anstatt sie einfach zu ignorieren. Ich wollte für alle das Beste und habe es nur noch schlimmer gemacht.“
„Es hängt nicht allein von dir ab, ob alles gut wird“, erklärte Jade. „Jeder muss diesen Wunsch haben und seinen Beitrag dazu leisten. Hör auf, dir über das Glück anderer Leute den Kopf zu zerbrechen, und konzentriere dich stattdessen ein bisschen mehr auf dein eigenes.“
„Genau das tue ich nach Marcus’ Ansicht schon viel zu viel“, antwortete Eleanor verbittert. „Außerdem ist da noch etwas“, fuhr sie fort und erzählte der Freundin von Vanessa und dem Kleid.
„Überlass Marcus die Sache“, riet Jade ihr. „Das dürfte sowieso der Hauptgrund sein, weshalb Vanessa das Kleid hat mitgehen lassen.“
Eleanor sah die Freundin verblüfft an. „Du meinst, es war ein Versuch, Marcus’ Aufmerksamkeit auf sich zu lenken? Meine Güte, Jade, Marcus liebt seine Tochter. Er …“
„Bist du sicher?“, fragte Jade ruhig. „Wie oft hat er sie denn gesehen, bevor du aufgetaucht bist, Nell? Überleg mal, wie du an Vanessas Stelle reagieren würdest. Du würdest bestimmt auch glauben, dass dein Vater sich nur um dich kümmert, weil deine Stiefmutter sich verpflichtet fühlt, dafür zu sorgen, dass er den Kontakt zu dir nicht verliert. Hör mal, ich muss jetzt gehen“, fügte sie hinzu. „In einer halben Stunde habe ich einen Termin bei meinem Gymnastiklehrer.“ Sie erschauerte theatralisch. „Er ist brutal, aber sehr gut. Meine Schenkel …“
Eleanor lachte leise. „Deine Schenkel sind perfekt“, erklärte sie der Freundin. „Ebenso wie dein übriger Körper.“
„Rede mit Marcus“, riet Jade ihr erneut, als Eleanor sie zur Haustür begleitete. „Und wenn ihr wollt, dass Vanessa einen kleinen Eindruck davon erhält, was Unterdrückung tatsächlich bedeutet, schickt sie ein paar Tage zu mir nach New York.“
Sie war gegangen, bevor Eleanor etwas sagen oder ihr danken konnte.
Eleanor saß eine ganze Weile da und ließ sich die Worte der Freundin noch einmal durch den Kopf gehen. Dann stand sie auf und holte den Aktenordner mit den Unterlagen von Broughton House.
Langsam nahm sie die Verkaufsbroschüre heraus und blätterte sie durch.
Tränen traten ihr in die Augen.
Wer je behauptet hatte, die Wahrheit täte nicht weh, hatte keine Ahnung von der Verletzlichkeit der menschlichen Psyche, schon gar nicht von der einer Frau.
Marcus runzelte die Stirn. Er war spät nach Hause gekommen und ziemlich erschöpft. Es war ein harter Tag gewesen, und das schlechte Gewissen wegen des Streits mit Eleanor am Morgen hatte alles noch schlimmer gemacht. Er wusste, dass sie miteinander reden mussten. Aber im Augenblick …
Entschlossen drehte er sich zu ihr. „Nicht jetzt, Eleanor“, wehrte er ab. „Ich muss mein Flugzeug erreichen und habe nicht viel Zeit. Wenn dir das Haus wirklich so viel bedeutet, mach weiter und kaufe es“, rügte er verbittert hinzu. „Ich habe versucht, dir zu
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