Broughton House - Haus der Sehnsucht
nicht seine Gefühle oder seine Einstellung gegenüber Kindern.
Nach der Rückkehr aus Manchester hatte Ben versucht, ihr klarzumachen, dass sie ihn zu Unrecht beschuldigte, über Sharons Fehlgeburt froh zu sein. Aber sie war nicht darauf eingegangen.
Seitdem hatte sich ihre Beziehung verändert. Eine Spannung, eine Distanz hatte sich eingestellt, die sie noch vor Kurzem weit von sich gewiesen hätte.
Es gäbe nichts, worüber sie nicht reden könnten, kein Problem, das sich nicht gemeinsam tragen und lösen ließe, hatte sie immer gesagt. Es gäbe kein Tabu.
Wie hatte sie sich geirrt.
Selbst im Bett wichen sie einander inzwischen aus. Die Intimität und die Nähe, die sie sonst geteilt hatten, machten Zoe nervös. Sie merkte, dass sie sich Ben nicht hingeben wollte, solange sie nicht gleichzeitig ihre Gedanken und Ängste mit ihm teilen konnte.
Ich habe Angst, gab sie elendig zu. Sie war verängstigt und wütend. Manchmal hasste sie das Leben, das in ihr wuchs, weil es solch ein Chaos bei ihr auslöste, manchmal hasste sie sich selber und manchmal sogar Ben. Doch sie war weiterhin entschlossen, ihn nicht mit ihrem Problem zu belasten.
Weil er ihren Schutz brauchte, oder weil sie ihm diesen Schutz gewähren wollte? Wen schützte sie eigentlich? Ben oder sich? Wovor hatte sie wirklich Angst? Dass er sie gar nicht mehr brauchte und deshalb auch nicht mehr wollte?
Zoe erinnerte sich, wie Ben sie heute Morgen angesehen hatte. Seine ungewohnte Reife und Festigkeit hatten ihr das Gefühl gegeben, nicht länger nötig für ihn zu sein.
Nein, das stimmte nicht. Ben brauchte sie immer noch. Sie hatte seine Nervosität und seine Sorge deutlich gemerkt, als er sie fragte, ob sie es sich wegen des Hotels anders überlegt hätte.
Das Hotel … Selbst die freudige Erwartung darauf wurde von dem Schreck über ihre Schwangerschaft gedämpft.
Dieses Baby … Dieses Wesen, das sie weder geplant noch gewollt hatte, war wie ein Schmarotzer. Es saugte sie aus und raubte ihr nicht nur körperlich alle Kraft und vernebelte ihren Verstand, es brachte sie auch um ihr Glück und ihre Zukunft.
„Ich will dich nicht, und ich liebe dich nicht“, sagte Zoe verbittert zu dem Kind in ihrem Bauch. „Woher nimmst du das Recht, mir so etwas anzutun? Wie kommst du darauf, die Kontrolle über meinen Körper und mein Leben an dich zu reißen? Begreifst du nicht? In dieser Welt ist kein Platz für dich, nicht bei mir und gewiss nicht bei Ben. Wir wollen dich nicht.“
Tränen stiegen ihr in die Augen, und sie schloss energisch die Lider, um sie zu vertreiben. Was nützte es, wenn sie weinte? Sie brauche Zeit, die Angelegenheit in Ruhe zu überdenken, hatte die freundliche Beraterin gesagt. Die Frau irrte sich. Es gab nichts zu überdenken.
Entschlossen griff Zoe zum Hörer.
Ja, sie hätte angerufen, bestätigte ihr die Beraterin. Zum Glück fiel der Termin bei der Ärztin in Zoes Freizeit. Ben würde unterdessen bei der Arbeit sein.
„Und wie lange wird es noch dauern, nachdem ich mit der Ärztin gesprochen habe?“, fragte Zoe. Ihr Mund wurde trocken, und sie bekam kaum noch einen Ton heraus.
„Die Einzelheiten für den Abbruch wird die Ärztin mit Ihnen besprechen“, erklärte die Beraterin.
Bildete sie es sich nur ein, oder klang die Stimme tatsächlich etwas kühler? Obwohl sie behauptete, unparteiisch zu sein, bezweifelte Zoe nicht, welche Entscheidung die Frau von ihr erwartete.
Was war sie in ihren Augen? Eine Mörderin, die das Leben ihres eigenen Kindes vernichtete? Sie hatte ja keine Ahnung. Sie brauchte nicht ihre Verantwortung zu tragen.
Verärgert blickte Zoe an ihrem Körper hinab. Äußerlich hatte sich nichts verändert. Da sie sich immer noch übergeben musste, war sie höchstens schlanker geworden und sah blasser aus als früher, vielleicht auch etwas zerbrechlicher.
Sie schloss die Augen und versuchte, das Bild zu verscheuchen, das in der Dunkelheit vor ihr auftauchte.
„Ich kann es nicht ändern. Siehst du das nicht ein? Ich habe keine Wahl. Hör endlich auf, mich so zu quälen … Es ist nicht meine Schuld … Ich will dich nicht.“
Sie schlug die Augen wieder auf und merkte, dass sie schützend die Hände auf den Bauch gelegt hatte. Als wollte sie verhindern, dass das Baby ihre Worte hörte.
Das Baby … Noch war es kein Baby. Es würde nie eines werden. Es durfte kein Baby geben.
„Zoe, was ist mit dir los?“
„Nichts“, antwortet Zoe abwehrend. Sie merkte, dass Ben sich ruhelos neben ihr hin
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