Broughton House - Haus der Sehnsucht
ließ? Wie viel Spaß hatte die Frau an diesem abscheulichen Lügengespinst?
Sie, Fern, wusste genau, dass Nick die Krawatte mit nach London genommen hatte. Es war eine ganz neue aus reiner Seide, und sie hatte mehr gekostet als ihr monatliches Taschengeld.
Es gab nur eine Erklärung dafür, wie Venice in den Besitz der Krawatte gekommen war. Und es war sicher nicht der Grund, den sie ihr genannt hatte.
Nachdem die Frau gegangen war, blieb Fern regungslos in der Küche stehen. Ihre Hände waren eiskalt, während ihr Gesicht vor Demütigung und Verärgerung glühte.
Es gab keinen Zweifel mehr. Nick hatte ein Verhältnis mit Venice.
Mit bebenden Händen griff Fern zum Telefon. Doch ihre Finger zitterten nicht vor Schmerz, sondern vor Zorn darüber, dass Nick sie erneut gefühllos betrogen und belogen hatte.
Während sie die Ziffern drückte und das Telefon läuten hörte, breitete sich eine kühle Gleichgültigkeit in ihr aus, ein Gefühl von etwas Unabwendlichem – als hätte sie immer gewusst, dass dieser Augenblick kommen würde.
Nick mochte noch so oft das Gegenteil beteuern, er liebte sie nicht. Im Gegensatz zu ihr würde Venice sich nicht passiv verhalten. Das hatte sie heute bewiesen.
Venice war nicht dumm. Sie hatte genau gewusst, was sie tat, als sie die Krawatte brachte.
Erst als sie die Stimme der Freundin hörte, wurde Fern klar, dass sie nicht Nicks Nummer, sondern Cressys gewählt hatte.
Ein Irrtum ihres Unterbewusstseins oder ein Wink des Schicksals? Fern holte tief Luft.
„Ich habe es mir anders überlegt, Cressy“, verkündete sie. „Wann soll ich kommen?“
„So bald wie möglich“, antwortete die Freundin.
Fern brauchte nicht lange, um zu packen. Sie hatte sowieso nicht viel, was sie mitnehmen konnte. Die unerwünschte Erinnerung an Venice und ihre hübsche Freizeitkleidung verschärfte ihre Abscheu vor den eigenen altmodischen Sache.
Sie hinterließ Nick einen Zettel mit der Nachricht, wohin sie fahren würde, und fügte als Fußnote hinzu, dass Venice seine Krawatte zurückgebracht hätte.
Soll er damit machen, was er will, dachte Fern grimmig. Ihr war nicht entgangen, dass die letzte Zeile größer und kühner ausgefallen war als ihre übrige saubere, ordentliche Handschrift. Ob Nick es bemerkte? Sie lächelte unbarmherzig.
Ich laufe nicht davon, sagte Fern sich, während sie ihren kleinen Koffer in den Wagen legte. Sie brauchte nur ein bisschen Abstand, um zu nachzudenken und über ihre Zukunft zu entscheiden.
Über eine Zukunft ohne Nick?
Bebend holte sie Luft, ließ den Motor an und löste die Handbremse.
In einer kleinen Provinzstadt aß sie zu Mittag. Es war Markt, und die Straßen waren voller Menschen. Auf dem Rückweg fiel ihr eine junge Mutter auf, die mit ihrem Baby an ihr vorüberging. Die Frau war ungefähr in ihrem Alter und trug ein ähnliches Outfit aus einem Top und Leggings wie Venice, allerdings kein so teures.
Für sie, Fern, wäre solch eine Kleidung natürlich unpassend. Nick würde in die Luft gehen, wenn sie …
Entschlossen machte Fern kehrt und ging zu einer preiswerten Modeboutique zurück, die ihre Filialen überall im Land hatte.
Als sie eine Viertelstunde später wieder herauskam, trug sie nicht mehr ihren altmodischen Rock und den Pullover, sondern hübsche bunte Leggings sowie einen Body, den die junge Verkäuferin ihr dazu empfohlen hatte.
Sogar für passende Leinenschuhe hatte das Geld noch gereicht. Sie hatte die Sachen von dem Haushaltsgeld bezahlt, das Nick ihr erst gestern gegeben hatte.
Nicht gerade das angemessene Verhalten für eine angeblich verantwortungsbewusste, reife Frau, die ernsthaft überlegte, ihren Ehemann zu verlassen, dachte Fern. Vor allem nicht, weil sie wusste, dass Nick diesen Kauf niemals billigen würde.
Allerdings war die Kleidung ausgesprochen bequem. Es war erstaunlich, wie anders sie sich darin fühlte. Wie leicht und unbeschwert. Wie frei …
Verblüfft entdeckte Fern ihr Spiegelbild in einem Schaufenster und betrachtete sich verstohlen.
Die Verkäuferin hatte sehnsüchtig auf ihre schlanke Gestalt hingewiesen und erklärt, sie brauche die kleinste Größe. Sie solle froh sein, denn das Lycramaterial verriete auch das geringste unerwünschte Fettpölsterchen.
Plötzlich merkte Fern, dass sie beinahe einfältig lächelte. Kein Wunder, dass ein Mann stehen geblieben war und sie anstarrte. Rasch eilte sie zu ihrem Wagen und staunte immer noch über ihre Verschwendung.
Eine Stunde später hatte Fern
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