Broughton House - Haus der Sehnsucht
aus freien Stücken, Fern, und nicht, weil es jemand von mir verlangt. Sosehr ich Graham liebe: Wenn er mir vorschreiben würde, was ich zu tragen hätte …“ Sie schüttelte den Kopf. „Meine Güte, du bist gerade erst hier, und ich mache dir schon Vorhaltungen. Komm erst mal ins Haus.“
Cressy hat sich nicht verändert, stellte Fern fest, als sie der Freundin in die hohe Diele mit dem Steinplattenboden folgte. Nach der vibrierenden Helligkeit im Freien war es hier dämmrig und kühl. Winzige Staubkörnchen schwebten träge in den vereinzelten Sonnenstrahlen. Zwei leuchtend bunte Webteppiche lagen zwanglos auf einem abgenutzten Ledersofa vor dem gewaltigen Kamin. An der Wand darüber schaute eine kleine Herde präparierter Rehe mit ihren Glasaugen in den Raum.
„Grauenhaft, nicht wahr?“, meinte Cressy, die Ferns Blick gefolgt war. „Sie waren schon im Haus. Graham behauptet, die Tiere erinnerten ihn an ganz besonders scheußliche Ferien bei seinen Großeltern im schottischen Hochland. Wir werden sie demnächst herunternehmen und anständig begraben. Unvorstellbar, dass eine Gesellschaft so etwas nicht nur gebilligt hat, sondern dass diese Art von Töten sogar äußerst beliebt war.“
Cressy hat sich wirklich nicht verändert, dachte Fern erneut, während sie der leidenschaftlichen Stimme der Freundin lauschte. Die wilde Mähne ihres strohblonden Haars, die hohen Wangenknochen in ihrem gebräunten Gesicht, die intelligenten haselnussbraunen Augen, der schlanke, sportliche Körper und der scharfe trainierte Verstand – alles war wie früher.
Auch die Wärme, die Menschlichkeit, der großzügige Geist und die Herzlichkeit.
„Fern, ich bin so froh, dass du gekommen bist“, sagte Cressy plötzlich. „Ich kann es immer noch nicht ganz glauben, dass ich heiraten werde. Du weißt, was ich von solch einem Schritt halte … Wie viel Angst ich davor habe, wie meine Mutter zu werden und ein gegebenes Versprechen zu brechen.“
„Du liebst Graham doch.“
„Oh ja!“ Cressy sagte es leise, doch mit solch einem warmen sanften Blick, dass sich Ferns Herz schmerzlich zusammenzog.
Sie neidete der Freundin das Glück nicht. Auch nicht die Fähigkeit, es zu erkennen und zu schätzen. Doch wenn sie Cressy ansah und reden hörte, wurde ihr die eigene Leere umso mehr bewusst.
Was Nick jetzt wohl macht? überlegte sie später, als die Freundin sie herumführte und ihr begeistert von den Plänen erzählte, die Graham und sie für das Haus und ihre gemeinsame Zukunft hatten. Lief er wütend auf und ab und fluchte über ihr Verschwinden und ihre Feigheit, oder nutzte er ihre Abwesenheit aus, um mit Venice zusammen zu sein?
Sie merkte nicht, dass Cressy sie aufmerksam beobachtete.
„Was ist los, Fern? Was beunruhigt dich?“
„Nichts. Ich – ich musste nur gerade an Nick denken.“
„Aber nicht besondere glücklich, nach deiner Miene zu urteilen“, stellte Cressy leise fest. „Möchtest du darüber reden?“
Fern schüttelte den Kopf. Sie war hier, um Cressy zu helfen, und nicht umgekehrt. Zu ihrem Entsetzen füllten sich ihre Augen mit Tränen.
„Nun rede schon“, forderte die Freundin sie auf. „Ich möchte wissen, was los ist.“
Fern ließ sich in die Küche ziehen. Es war ein großer, vollgestopfter, sehr gemütlicher Raum, dem Cressy bereits ihren unverkennbaren Stempel aufgedrückt hatte.
Nick hätte diese Küche verabscheut, dachte Fern automatisch.
Unbekümmert schob Cressy einen großen Bücherstapel vom Tisch, zog einen Stuhl hervor und drückte Fern sanft, aber entschlossen darauf.
„Also los“, sagte sie und setzte sich ebenfalls. „Ich will alles hören.“
„Es gibt nichts zu erzählen“, begann Fern und fügte wider Willen hinzu: „Nick hat ein Verhältnis mit einer anderen Frau.“
Es entstand eine kleine Pause. Als Fern unsicher aufsah, stellte sie fest, dass Cressy kein bisschen überrascht war.
„Ich weiß, was du jetzt denkst“, sagte sie verzweifelt. „Wahrscheinlich ist es gar nicht so wichtig. So etwas kommt in den besten Familien vor … Männer haben nun einmal Affären … Vermutlich hat es nichts zu bedeuten, und wenn ich den Mund halte, geht der Sturm vorüber … Wahrscheinlich ist es sowieso meine eigene Schuld.“
„Deine Schuld?“ Cressy sprang auf und sah sie an. „Meine Güte, Fern, was hat Nick aus dir gemacht? Ich habe immer gewusst, dass er ein gemeiner Kerl ist. Wenn er eine Affäre hat, bist du bestimmt nicht daran schuld. Ich kenne niemanden,
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