Broughton House - Haus der Sehnsucht
der seine Ehe so ernst nimmt wie du oder sich derart für sie einsetzt.“
Fern zuckte heftig zusammen, doch Cressy merkte es nicht. Mit blitzenden Augen lief sie in der Küche auf und ab und verkündete zornig: „Ich sollte es eigentlich nicht sagen, und ich hatte mir fest vorgenommen, es nie zu tun. Aber dein Mann ist einer der egoistischsten Menschen, wenn nicht sogar – der egoistischste, den ich kenne. Vom ersten Augenblick eurer Bekanntschaft hat er dir den Blick für die Wirklichkeit verstellt. Er hat dich benutzt und manipuliert, mit deiner Verletzlichkeit gespielt und dich immer wieder gekränkt. Oh ja, er hat dich gekränkt, Fern. Ich habe es genau gemerkt. Ich wollte dich damals warnen. Aber du warst so blind verliebt …“ Fern stöhnte gequält.
„Liebst du Nick etwa immer noch?“, fragte Cressy heftig.
Fern schüttelte den Kopf, doch sie konnte die Wahrheit nicht aussprechen. Ihre Erziehung und ihre Schuldgefühle ließen es nicht zu.
„Bin ich froh.“ Cressy ging zum Kühlschrank, holte eine Flasche Wein heraus und schenkte zwei Gläser ein. „Es ist zwar kein Champagner …“ Sie prostete Fern zu und fuhr fort: „Ich hoffe, du wirst ihn verlassen.“
Nick verlassen? Entsetzt starrte Fern die Freundin an.
„Wir sind verheiratet, Cressy … Ich habe ein Ehegelöbnis abgegeben und bin eine Verpflichtung eingegangen.“
Erschrocken setzte Cressy ihr Glas ab. „Meine Güte, Fern, willst du dich etwa für ihn opfern? Was, zum Teufel, hat Nick dir je gegeben? Du sagst, er hat eine Affäre. Ich wette, es ist nicht die erste. Er gehört zu jenen Männern, die ihr Selbstbewusstsein ständig aufpolieren müssen, indem sie ein weiteres Opfer in die Falle locken. Nicht wegen Sex. Deshalb bestimmt nicht. Ich habe mich oft gefragt, was du an ihm fandest, als du ihn damals kennenlerntest. Er kam mir immer so kalt vor … Eines muss man ihm allerdings lassen: Die Art und Weise, wie er Adam aus deinem Leben vertrieben hat … Was hat dich so an Nick gereizt, Fern? Du hattest doch Adam, der das genaue Gegenteil von ihm war … Ich gestehe, dass ich mir öfter vorgestellt habe, als mir lieb war, wie es wäre, mit deinem Adam ins Bett zu gehen.“
„Er war nie ‚mein‘ Adam“, wehrte Fern ab. „Und du irrst dich, wenn du glaubst, Nick hätte ihn aus meinem Leben vertrieben. Für Adam war ich nichts anderes als eine gute Freundin.“
„Das stimmt nicht. Ich habe genau gemerkt, wie er dich angesehen hat, Fern. Adam begehrte dich.“
„Du irrst dich“, protestierte Fern erneut. „Er war damals mit einer anderen Frau zusammen, einer viel älteren mit viel mehr Erfahrung als ich. Nick …“
„Nick wollte dich haben, wie er alles andere in seinem Leben auch haben wollte“, unterbrach Cressy sie unbarmherzig und goss die Gläser wieder voll. Fern erkannte, dass nicht nur der Wein die Freundin so gesprächig, ja beinahe brutal aufrichtig machte. Cressy sprach aus, was sie selber vor sehr langer Zeit verdrängt hatte. Sie war ehrlich um sie besorgt.
„Nick wollte dich, weil Adam dich nicht haben sollte.“
Fern krallte die Finger um den Stiel ihres Weinglases und wurde kreideweiß. Ein entsetzlicher Abgrund tat sich vor ihr auf. „Das ist nicht wahr. Nick wollte mich … Er brauchte mich.“
Noch während sie die Worte aussprach, wurde ihr klar, dass Cressy recht hatte. Die Hülle aus Selbsttäuschungen, mit der sie sich umgeben hatte, um sich und ihre Ehe zu schützen, zerplatzte, und sie sah ihre Beziehung mit Nick zum ersten Mal, wie sie wirklich war.
„Es tut mir leid, Fern … Es tut mir aufrichtig leid“, hörte sie Cressy leise sagen. „Ich wollte nicht … Ich dachte, du hättest es gewusst … Du hättest gemerkt, wie entsetzlich eifersüchtig Nick auf Adam war.“
Nick eifersüchtig auf Adam? Plötzlich drehte sich alles um Fern. Sie blinzelte und versuchte, sich auf das primitive Muster eines unlasierten Krugs zu konzentrieren, der irgendwo in der Mitte des Regals stand. Jäger jagten darauf das Wild. Sie hatte die Speere gehoben, um ihre Beute zu töten …
Zitternd drehte sie sich wieder zu Cressy.
„All die Jahre … Und ich habe nichts davon gewusst. Ich dachte, Nick begehrte mich, er brauchte mich. Willst du mir sagen, er hätte mich nur benutzt, weil er glaubte, dass Adam mich wollte?“, fragte sie schmerzerfüllt.
„Im Grunde ja“, gab Cressy mit heiserer Stimme zu. „Aber das ist nicht alles, Fern. Menschen wie Nick sind wie Parasiten. Sie brauchen einen Wirt,
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