Brown, Dale - Feuerflug
gehört, was ich gesagt habe, Towarischtsch?«, fragte Zuwayy scharf. »Ich werde angegriffen! Tausende von Quadratkilometern meiner Wüste sind verseucht! Hunderte meiner Soldaten sind tot! Und die Amerikaner wissen garantiert alles über meine Raketen und woher ich sie habe!«
»Sie wissen nichts dergleichen«, stellte Pawel Gregorjewitsch Kasakow richtig. Kasakow saß in Akranes, 48 Straßenkilometer nördlich der isländischen Hauptstadt Reykjavik, in einem kleinen Apartment an seinem Schreibtisch und hatte eine Tasse Tee vor sich, die seine Assistentin ihm eben serviert hatte. Seine Mitarbeiterin, die schöne ehemalige russische Offizierin Iwana Wassiljewa – früher stellvertretende Stabschefin des ehemaligen Generalstabschefs der Russischen Föderation, die am Pistolenschießstand und auf der Judomatte ebenso talentiert war wie im Bett – stellte ihm einen Teller mit Gebäck hin, lächelte ihm verlockend zu und verließ den Raum. »Wüssten sie tatsächlich was, hätten sie den gesamten Stützpunkt zerstört. Ein paar Kommandos ... die können von überallher gekommen sein – aus Israel, Algerien, sogar von Ihren so genannten Verbündeten Sudan und Syrien. Halten Sie also die Luft an und beruhigen Sie sich.«
Kasakow trank einen kleinen Schluck Tee, während Zuwayy in einer Mischung aus Russisch und Arabisch weiterbrabbelte. Ein Anruf eine Stunde vor Tagesanbruch, dachte Kasakow verbittert, während er ein Stück von dem Gebäck kostete. Empörend! Das Leben im Rahmen eines Zeugenschutzprogramms war wirklich kein Honiglecken.
Der 39-jährige Pawel Kasakow, der Sohn eines im Kosovo gefallenen Kriegshelden der Russischen Föderation, einer der reichsten und bestimmt einer der gefährlichsten Männer der Welt, stand in Island unter Hausarrest und war in hunderten von Fällen wegen Betrugs, Unterschlagung, Erpressung, Verschwörung, Drogenhandel, Mord und weiterer Straftaten gegen alle möglichen Staaten von Kasachstan bis zu den USA angeklagt. Er war von bisher nicht identifizierten Kommandos – vermutlich Amerikanern – geschnappt und in ein türkisches Gefängnis eingeliefert worden. Da so viele Staaten seine Aburteilung forderten, sollte Kasakow vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag der Prozess gemacht werden. Dank guter Anwälte, deren Arbeit er durch Bestechung unterstützte, hatte er sich wertvolle Zugeständnisse gesichert. Die Türkei lieferte Schwerverbrecher normalerweise nicht aus, aber er schaffte es, in ein Hochsicherheitsgefängnis in den Niederlanden verlegt zu werden.
Dort begann Kasakow auszupacken. Innerhalb weniger Tage verhaftete Interpol in aller Welt Dutzende von mutmaßlichen Drogenhändlern, Geldwäschern, Waffenhändlern, Großbetrügern und Kunstdieben. Dabei konnten binnen kürzester Zeit Gegenstände im Wert von Milliarden von Dollar sichergestellt werden. Pawel Kasakow, der weiterhin als gefährlichster Pate der Russenmafia galt, entwickelte sich rasch zum größten und wichtigsten Tippgeber der Justizgeschichte. Einige der gefürchtetsten Terroristen, berüchtigtsten Drogenhändler und wendigsten Kriminellen der Welt – Männer, nach denen seit Jahren, teils seit Jahrzehnten gefahndet wurde – konnten dank seiner Tipps gefasst werden. So viele Menschenleben und Millionenschäden Kasakow auch auf dem Gewissen haben mochte – allein der Wert der Gegenstände, die durch seine Tipps wieder beschafft oder beschlagnahmt werden konnten, übertraf die Schäden um ein Mehrfaches.
Pawel Kasakow sah das alles natürlich anders. Für ihn war es eine Möglichkeit, seine Haut zu retten, aus dem Gefängnis herauszukommen ... und die Konkurrenz zu eliminieren. Und was kümmerten den Gerichtshof ethnische Konflikte in Albanien oder Makedonien, der Tod eines türkischen F-15-Piloten oder verseuchte Gewässer in Kasachstan? Je mehr Kasakow auspackte, desto sicherer konnte er sein, dass er die ihm drohende Haftstrafe nie würde absitzen müssen.
Die Einzelheiten des Deals seiner Anwälte mit dem Gerichtshof wurden streng geheimgehalten. Offiziell saß Kasakow weiterhin im niederländischen Gefängnis Rijsen in Einzelhaft und wartete auf seinen Prozess. Niemand rechnete damit, dass er freikommen könnte, und der Gerichtshof hatte kein Zeugenschutzprogramm. Aber dann wurde in aller Eile eines für ihn geschaffen ... und Pawel Gregorjewitsch Kasakow war wieder frei.
Ja, er war fast pleite – aber »fast pleite« bedeutete in seinem Fall, dass er noch immer reicher war als manche
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