Brown, Dale - Patrick McLanahan - 09 - Mann gegen Mann
Grant One erfasst – oder vielmehr hatten sie irgendetwas entdeckt –, aber die Stealth-Eigenschaften der Lenkwaffe machten es unmöglich, sie richtig zu erfassen.
Die letzten Sekunden des fast fünfhundert Kilometer langen Fluges der Lenkwaffe waren die spektakulärsten. Acht Sekunden vor dem Einschlag begann Grant One steil hochzuziehen, wobei ihre Infrarotkameras aufs Ziel gerichtet blieben. Kurz bevor die Lenkwaffe dreihundert Meter über Grund erreichte, ging sie in einen noch steileren Sturzflug über. Jon konnte das Dach des Hangars von Metjor Aerospace einige Sekunden lange sehen, bevor die Lenkwaffe einschlug.
Das Radar im Bug der Lenkwaffe lieferte die exakte Entfernung bis zum Aufschlagspunkt, und im richtigen Augenblick zündete der Computer einen kleinen Treibsatz im Bug, der einen Gefechtskopf mit einer zweihundertfünfzig Kilo schweren Hohlladung durch das massive, mit Stahlplatten verstärkte Hangardach schoss, wobei ein Loch entstand, durch das der größte Teil der Lenkwaffe passte. Erst im Gebäudeinneren detonierte der eigentliche Gefechtskopf: ein neunhundert Kilo schwerer Spreng- und Brandsatz, der im streng bewachten Teil des Forschungshangars der IIG Metjor einen riesigen, fünfzehnhundert Grad heißen Feuerball erzeugte. Die durch explodierenden Treibstoff und ausströmendes Erdgas verstärkte Detonation war so gewaltig, dass der gesamte Hangar wie ein Ballon unter Überdruck zerplatzte. Alles innerhalb des Hangars und in fünfhundert Metern Umkreis um den Nullpunkt wurde augenblicklich zu Asche.
Als sein Bildschirm schwarz wurde, juchzte Jon Masters wie ein kleiner Junge beim Rodeo, denn er wusste, dass seine Lenkwaffe einen Volltreffer erzielt hatte. »Hey, Erzengel«, sagte er ins Leere hinein, während er seinen Sieg aus weiter Ferne genoss, »sehen Sie sich das bloß an! Mann, das war echt Klasse!« Dann schaltete er die Bordsprechanlage ein. »Volltreffer, Jungs«, gab er bekannt. »Grant Two hat in den Staub gebissen, aber auf Grant One können wir stolz sein. Kommt nach vorn und seht euch das Video an, wenn ihr wollt, aber dann müssen wir unser Zeug wieder zusammenbauen – bis zur Landung haben wir nur drei Stunden Zeit, um diese Kiste wieder in ein Frachtflugzeug zu verwandeln, das Ölbohrgerät transportiert.«
Radomir, Bulgarien (später am gleichen Morgen)
»Halt! Stop! Astanawliwatsja! «, brüllte der bulgarische Offizier in allen Fremdsprachen, die ihm einfielen, während er mit hoch über dem Kopf erhobenem Sturmgewehr AK74 auf den Sattelschlepper mit dem Bürocontainer zurannte. »Halt, im Namen des Gesetzes!«
Pawel Gregorjewitsch Kasakow, der zu einem langen schwarzen Ledermantel – zugleich eine diskrete Tarnung für die kugelsichere Kevlarweste darunter – eine schwarze Pelzmütze trug, blickte von den auseinander gerollten Bauplänen und Geländeprofilen auf, sah den zornig heranstürmenden Offizier, der sein Gewehr schwenkte, und verdrehte irritiert die Augen. Er stand mit seinen Assistenten und einer Gruppe von Ingenieuren auf der Plattform vor dem rückwärtigen Teil des Bürocontainers, den ein Sattelschlepper in den Südwesten Bulgariens transportiert hatte – zu einer Stelle, die nur fünfundfünfzig Kilometer westlich der Hauptstadt Sofia lag und kaum achtzig Kilometer von der makedonischen Grenze entfernt war. »Was soll das wieder?«, fragte er aufgebracht.
»Er ist bewaffnet, Towarischtsch«, sagte einer der Ingenieure nervös.
»Was ist bloß mit diesen Arschlöchern aus dem Innenministerium los?«, murmelte Kasakow. Er nickte einem seiner Leibwächter zu, der in seiner Nähe stand. »Weiß er nicht, dass es gefährlich ist, so mit einer Waffe herumzufuchteln? Dabei könnte jemand zu Schaden kommen. Oder er könnte für einen Terroristen gehalten und versehentlich erschossen werden.«
Der Leibwächter grinste, zog eine deutsche Maschinenpistole MP5K mit einem zwanzig Zentimeter langen Schalldämpfer von Sionics unter seinem Mantel hervor und richtete sie auf den Offizier, ohne dass dieser die Waffe sehen konnte. »Gatowy, rukawadite!« , sagte er halblaut, während er die MP von Einzelfeuer auf Feuerstöße zu je drei Schuss umstellte. Einige der Assistenten und Ingenieure machten große Augen. Will er den Offizier tatsächlich erschießen?, fragten sie sich. Der Bulgare war bewaffnet und wirkte erregt, aber eigentlich nicht bedrohlich.
Kasakow überlegte, ob er den Befehl dazu erteilen sollte, aber dann schüttelte er den Kopf. »Njet.
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