Brown, Dale - Patrick McLanahan - 09 - Mann gegen Mann
»Unsere Haushaltsmittel reichen kaum aus, um ein Minimum an Operationsfähigkeit zu garantieren und …«
»Ein Minimum an Operationsfähigkeit? Verdammt noch mal, unsere Soldaten bekommen kaum genug zu essen , General! Hätte ich darüber zu entscheiden, würde ich eine ganze Brigade einsetzen, jeden bekannten oder vermuteten Stützpunkt der KBA in die Luft jagen, ihre Vorräte erbeuten, die Gefangenen verhören, ihre Häuser niederbrennen und mich den Teufel um die Meinung der Weltöffentlichkeit scheren! Damit wären unsere Soldaten wenigstens nützlich beschäftigt. Und im Idealfall hätten sie Gelegenheit, den Tod ihrer Kameraden zu rächen.«
»Ich habe volles Verständnis für Ihren Zorn und Ihre Leidenschaft, Pawel Gregorjewitsch – aber Sie verstehen wenig von Politik oder Militäreinsätzen!«, sagte Schurbenko väterlich lächelnd. Kasakow nahm verärgert einen großen Schluck Whiskey. Der General wollte diesen Mann unter keinen Umständen gegen sich aufbringen, deshalb bemühte er sich um einen mitfühlend verständnisvollen Tonfall. »Ein Unternehmen dieser Art würde Zeit, präzise Planung und vor allem Geld erfordern.«
»Mein Vater hat Priština nach weniger als zwölf Stunden Vorbereitungszeit eingenommen – mit einer Truppe, die kaum für dieses Unternehmen qualifiziert war.«
»Ja, das hat er getan«, bestätigte Schurbenko, obwohl Major Kasakow nicht die Stadt, sondern nur einen kleinen Regionalflughafen eingenommen hatte. »Ihr Vater war eine wahre Führerpersönlichkeit, mutig wie ein Löwe, ein geborener Krieger in der Tradition der slawischen Könige.« Das schien Kasakow zu besänftigen.
In der nun folgenden Pause dachte Schurbenko jedoch über seinen Vorschlag nach. Eine ganze Brigade in den Kosovo verlegen? Es würde Monate, vielleicht ein halbes Jahr dauern, um zwanzigtausend Soldaten für irgendein Unternehmen zu mobilisieren, und die Weltöffentlichkeit würde längst davon wissen, bevor auch nur das erste Bataillon in Marsch gesetzt wurde. Nein, das war eine törichte Idee. Im Kosovo konnte man nur verlieren. Die Ermordung Oberst Kasakows und 16 weiterer Soldaten bestätigte lediglich, was Schurbenko bereits wusste: Russland musste sich aus dem Kosovo zurückziehen. Kasakow war sicher ein brillanter Ingenieur und Geschäftsmann, aber er hatte keine Ahnung von den einfachsten Grundsätzen der Kriegsführung.
Aber vielleicht eine kleinere Kampfgruppe, ein bis zwei leicht gepanzerte Bataillone, vielleicht sogar ein SpeznasLuftlanderegiment? Pawel Kasakows Vater war mit einer Kompanie Infanteristen über dem Flughafen Priština abgesprungen und hatte die NATO damit ausgetrickst. Das waren keine Luftlandetruppen, sondern ganz gewöhnliche Infanteristen gewesen – Schurbenko war sich nicht einmal sicher, ob alle Männer damals eine abgeschlossene Sprungausbildung besessen hatten. Eine gute ausgebildete Speznas-Einheit gleicher Stärke, die vielleicht mit Luftunterstützung operierte, würde zehnmal effektiver sein. Warum sollte das nicht nochmals gelingen? Die NATO war im Kosovo zwar nur unwesentlich schwächer als 1999, aber ihre Truppen hatten sich in ihren eigenen Sektoren, in ihren sicheren Lagern verschanzt, die sie kaum noch zu verlassen wagten. Die Kosovo-Befreiungsarmee konnte ungehindert agieren. Aber sie bestand nicht aus regulären Soldaten, sondern nur aus Guerillakämpfern. Gefährlich, unter Umständen auch tödlich, aber kein gleichwertiger Gegner für russische Speznas-Teams mit dem Auftrag, den Feind aufzuspüren und zu vernichten.
Dann fiel dem General etwas auf, das er in seinem Bestreben, den jungen Industriellen nicht zu verärgern, fast übersehen hätte: Pawel Kasakow schien leidenschaftlich am Wohlergehen der russischen Soldaten im Kosovo, die sein Vater befehligt hatte, interessiert zu sein. Er sprach von »unseren« Soldaten, als liege ihm ihr Schicksal wirklich am Herzen. Lag das nur daran, dass sein Vater einer von ihnen gewesen war? Empfand er wirklich eine Art Verbundenheit zu den im Kosovo getöteten Soldaten? Jedenfalls bot sich Schurbenko damit plötzlich ein unerwarteter Blick hinter die Fassade eines der unergründlichsten Männer der Welt.
»Das ist interessant, Pawel Gregorjewitsch, sehr interessant«, sagte Schurbenko. »Sie plädieren also für ein machtvolleres Auftreten Russlands im Kosovo?«
»Der Kosovo ist erst der Anfang, General«, sagte Kasakow scharf. »Tschetschnja war ein gutes Beispiel für einen überzeugend gelösten Konflikt
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