Brown, Dale - Patrick McLanahan - 09 - Mann gegen Mann
Kasakow.
»Wie viel Öl?«
»In zehn Jahren – wenn die nötige Infrastruktur aufgebaut ist und unter straffer politischer und militärischer Kontrolle steht – fünf Millionen Barrel«, sagte Kasakow stolz. »Zweieinhalb Milliarden Rubel, rund hundertfünfzig Millionen Dollar.« Das schien Schurbenko nicht sehr zu beeindrucken. Er trank noch einen Schluck Whiskey und wirkte gelangweilt, bis Kasakow hinzufügte: »Pro Ta g , General. Hundertfünfzig Millionen Dollar pro Tag, tagtäglich für die nächsten fünfzig Jahre. Und wir bezahlen niemandem auch nur einen Rubel für Abgaben, Steuern, Gebühren oder Zölle. Das ganze schöne Geld bleibt uns.«
Schurbenko wäre beinahe an seinem Jim Beam erstickt. Er starrte Kasakow völlig konsterniert an, ohne zu merken, dass ihm ein Whiskeyfaden übers Kinn lief. »Wa … wie ist das möglich?«, stammelte er. »Ich wusste nicht, dass solche Lagerstätten existieren, nicht mal am Persischen Golf.«
»General, am Kaspischen Meer gibt es Ölvorräte, die noch nicht entdeckt sind – vielleicht hundertmal mehr, als wir in den vergangenen zwanzig Jahren entdeckt haben«, sagte Kasakow. »Sie dürften denen in Sibirien oder im Südchinesischen Meer entsprechen. Das Problem ist nur, dass sie nicht ausschließlich Russland gehören. Russland besitzt nur etwa ein Fünftel der bekannten Reserven. Die anderen vier Fünftel gehören Aserbeidschan, Kasachstan, Turkmenistan und dem Iran. Aber russische Arbeiter und russisches Kapital haben den größten Teil der Ölindustrie dieser Staaten aufgebaut, General. Jetzt zahlen wir ihnen Unsummen für zeitlich begrenzte Pachtverträge, damit sie unsere Ausrüstung und unser Know-how benutzen können, um Öl zu fördern, das Russen entdeckt haben. Wir müssen Millionen an Bestechungsgeldern und Gebühren sowie eine Abgabe für jede Tonne Rohöl zahlen, die wir ausführen. Wir zahlen ungelernten ausländischen Arbeitern fürstliche Gehälter, während russische Männer, ausgebildete Bohrarbeiter, und ihre Angehörigen zu Hause hungern. Das tun wir, weil Russland nicht den Mumm hatte, die Sowjetrepubliken als seinen rechtmäßigen Besitz zu verteidigen.«
»Hundertfünfzig Millionen Dollar … pro Tag «, konnte Generaloberst Schurbenko nur murmeln.
»Statt Öl zu fördern, es zu verarbeiten, es in den energiehungrigen Westen zu exportieren und unseren rechtmäßigen Platz unter den Großmächten der Welt einzunehmen«, sagte Kasakow, indem er sein Glas leerte, »empfangen wir unsere Helden in der Heimat in Särgen, die mit der Flagge einer zögerlichen, kraftlosen Regierung geschmückt sind. Kein Wunder, dass meine Mutter diese Flagge nicht auf dem Sarg ihres Mannes haben wollte. Sie hätte meinen Vater entehrt. Das können Sie dem Präsidenten sagen, wenn Sie ihn nächstes Mal sehen.«
Danach herrschte mehrere Minuten lang Schweigen. In dieser Zeit wechselte Schurbenko nur ein paar geflüsterte Worte mit seiner Adjutantin, während Kasakow zwei weitere Gläser trank, nach denen die Flasche leer war. Wenig später hielt die Limousine etwa zehn Straßenblocks vom Kreml entfernt vor einem luxuriösen Apartmentgebäude, vor dessen Eingang und an dessen Ecken neutrale Fahrzeuge eines Sicherheitsdienstes parkten. Durch die Panzerglasscheiben der Eingangshalle waren ein Wachmann und eine Empfangsdame zu sehen.
Schurbenko stemmte sich hoch und stieg aus. »Mein Fahrer setzt Sie ab, wo immer Sie wünschen, Pawel Gregorjewitsch«, sagte der Oberbefehlshaber der russischen Landstreitkräfte. Er streckte Kasakow die Rechte hin, und dieser schüttelte sie. »Nochmals mein tief empfundenes Beileid zu Ihrem Verlust. Morgen früh statte ich Ihrer Mutter einen Kondolenzbesuch ab – wenn sie mich empfängt.«
»Ich sorge dafür, dass Sie es tut, Generaloberst.«
»Gut.« Er bedeckte Kasakows Rechte mit seiner Linken und zog den jungen Mann etwas zu sich heran, als habe er ihm etwas Vertrauliches mitzuteilen. »Und wir müssen in Verbindung bleiben, Pawel Gregorjewitsch. Ihre Ideen sind höchst bemerkenswert. Ich möchte gern mehr darüber hören.«
»Vielleicht, General.«
Die Limousine fuhr weiter und hatte schon mehrere Blocks zurückgelegt, bevor Kasakow merkte, dass die Adjutantin des Generals noch im Wagen saß. »Ah«, sagte er, »und wie heißen Sie … Oberstleutnant?«
»Major«, verbesserte sie ihn lächelnd. »Major Iwana Wassiljewa, Stellvertreterin des Stabschefs des Generals.« Sie wechselte auf Schurbenkos Platz über und nahm eine
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