Brown, Dale - Patrick McLanahan - 09 - Mann gegen Mann
wie wichtig es war, ein legitimes, in der UdSSR verankertes und vom Staat gefördertes Unternehmen zu besitzen. Jedenfalls wurde er Präsident und mit einem Anteil von 49 Prozent auch größter Einzelaktionär dieses Konzerns, an dem der russische Staat mit 51 Prozent beteiligt blieb.
Pawels Strategie, um das Unternehmen, das er Metjorgaz nannte, trotz der Flaute im Ölgeschäft in die Gewinnzone zu bringen, war einfach: Öl finden, wo kein anderer auch nur zu suchen wagte, und es möglichst billig fördern und transportieren. Als Erstes hatte er sich für Kasachstan entschieden – die zweitgrößte der ehemaligen Sowjetrepubliken, die aber eine der ärmsten und am dünnsten besiedelten war. Der Grund dafür: Die Kasachische SSR war jahrzehntelang die Müllhalde der Sowjetunion gewesen.
Die Kommunisten hatten mit der Entvölkerung Kasachstans begonnen, als sie in den dreißiger Jahren die Zwangskollektivierung durchgesetzt und Millionen von Kasachen deportiert hatten. Sie hatten gewaltige Geldmittel und viele Jahre mit dem Versuch vergeudet, im rauen kasachischen Klima Weizen, Baumwolle und Reis anzubauen. Nuklearabfälle in wilden Deponien sowie tausende von oberirdischen Atomwaffentests und Unfälle mit spaltbarem Material hatten in drei Jahrzehnten Millionen von Opfern gefordert. Radioaktive Rückstände, Pestizide, Herbizide, ungeklärte Abwässer und Jauche hatten Brunnen, Vieh und Lebensmittel vergiftet und weitere Millionen Menschen vergiftet oder getötet. Ausgebrannte ballistische Raketen und Stufen von Orbitalraketen, die nach dem Start vom Kosmodrom Baikonur, dem russischen »Weltraumbahnhof«, über Kasachstan abgestürzt waren, hatten Tausende geschädigt und getötet. Ohne einen einzigen Fachmann zu konsultieren, hatten die örtlichen kommunistischen Behörden Bewässerungskanäle für den Baumwollanbau gebaut oder verbreitert, wodurch der schon stark verschmutzte Aralsee weitgehend ausgetrocknet war – eine der schlimmsten ökologischen Katastrophen der achtziger Jahre. Der 66 500 Quadratkilometer große Aralsee, früher der viertgrößte Binnensee der Welt, war um etwa 70 Prozent geschrumpft. Die einst fruchtbaren Ebenen Kasachstans wurden nun von Sandstürmen und Salzverwehungen heimgesucht.
Pawel Kasakow setzte die russische Tradition der Ausplünderung Kasachstans nahtlos fort. Er entschied sich für die einfachsten, billigsten und produktivsten Verfahren zur Ölförderung, ohne sich darum zu kümmern, wie sehr sie dem Land schadeten oder das Kaspische Meer verschmutzten. Auch nachdem er die zuständigen Beamten in Kasachstan und Russland bestochen hatte, damit sie die wenigen existierenden Naturschutzbestimmungen nicht anwendeten, erzielte er riesige Gewinne. Das Wagnis zahlte sich aus, und die Metjorgaz wurde hinter der staatlichen Gasprom und der halbstaatlichen Ölgesellschaft LUKoil zum drittgrößten Öl- und Erdgasproduzenten der Sowjetunion.
Kasakow vermehrte seinen Reichtum und sein Prestige, indem er ein weiteres Risiko einging. Die russische Regierung hatte verordnet, für Russland bestimmtes Rohöl aus den Gebieten am Kaspischen Meer müsse zu dem riesigen Verteilerzentrum in Samara, ungefähr elfhundert Kilometer flussaufwärts am Ural bei Kujbyschew, transportiert werden, über das alles aus Westsibirien kommende Erdöl lief. Die Kapazität der existierenden Pipeline betrug nur 300 000 Barrel pro Tag, und Kasakow plante, schon in wenigen Jahren das Sechs- bis Siebenfache dieser Menge zu fördern. Also musste er einen besseren Transportweg finden.
Die Lösung lag auf der Hand: Er musste selbst eine Pipeline bauen. Weder die Russische Föderation noch die vor kurzem unabhängig gewordene Republik Kasachstan hatte dafür Geld, deshalb übernahm Kasakow es, mit Hilfe von ausländischen Finanziers das nötige Kapital aufzutreiben. Er brachte über zweieinhalb Milliarden Dollar zusammen und begann mit dem Bau der größten Pipeline der Welt, die fünfzehnhundert Kilometer weit von Tengis in Kasachstan ins russische Novorossijsk am Schwarzen Meer führte. Diese Pipeline, die fast eineinhalb Millionen Barrel am Tag transportieren und auf eine Förderleistung von zwei Millionen Barrel ausgebaut werden konnte, erschloss am Schwarzen Meer stillgelegte Pipelines und Terminals in der Ukraine, Moldawien, Bulgarien und der Türkei. Obwohl Kasakow in Russland und Kasachstan ungeheure Ausgaben für Gebühren, Steuern, Pachtzahlungen und Bestechungen machen musste, wurde er zu einem der
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