Brown, Dale - Patrick McLanahan - 09 - Mann gegen Mann
reichsten Männer Europas.
Seinen neuen Reichtum verwendete er, um in Supertanker und Ölraffinerien zu investieren, wodurch ihm der Sprung vom Erdölförderer zum Reeder und Verarbeiter gelang. Die ukrainischen, bulgarischen und türkischen Raffinerien unterstellten sich gern seiner Leitung, was Kasakow noch reicher machte. Er modernisierte ein halbes Dutzend Anlagen in diesen drei Staaten und machte sie weit leistungsfähiger und sauberer als vergleichbare Einrichtungen im Osten.
Trotzdem war sein eigentliches Problem noch nicht gelöst: Seine Hauptkunden waren weiterhin Russland und die von ihm abhängigen Nationen in der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten, deren hoffnungslos veraltete und ineffiziente Raffinerien zu den schlimmsten der Welt gehörten. Kasakow konnte das Erdöl zwar gewinnbringend fördern, aber er schrieb bei jedem Verkauf an die GUS rote Zahlen, weil sie keine Weltmarktpreise bezahlen konnte und manchmal sehr zögerlich zahlte. Wirklich Geld ließ sich mit der Belieferung westeuropäischer Raffinerien verdienen, was bedeutete, dass das Öl mit Tankern durch den Bosporus und die Dardanellen ins Mittelmeer transportiert werden musste. Das Problem war jedoch, dass es bereits viel Tankerverkehr durch diese Meerengen gab – durchschnittlich zehn Supertanker pro Tag, zu denen noch der normale Schiffsverkehr kam, was Verluste an Zeit und Geld bedeutete –, von den von der Türkei erhobenen Gebühren für jede Tonne Rohöl ganz zu schweigen. Trotz seines gewaltigen Reichtums war Kasakow eine Null, wenn es darum ging, mit den multinationalen Ölgiganten des Westens zu konkurrieren.
Als Pawel Gregorjewitsch Kasakows Reichtum und Prestige wuchsen, rankten sich immer mehr Gerüchte um ihn. Die meisten Leute behaupteten, als einem der Bosse der Russenmafia unterstehe ihm eine Organisation, die einflussreicher und mächtiger sei als die russische Regierung; andere sagten, er vertreibe als Drogenhändler den zweitwichtigsten Exportartikel Kasachstans – Heroin – und benutze seine Kontakte in Ost und West, um jeden Monat tausende von Kilogramm Heroin in ganz Europa zu verkaufen; wieder andere hielten ihn für einen Spion der Amerikaner, der Chinesen oder der Japaner – je nachdem, wer gerade Sündenbock des Monats war.
Die Schlussfolgerung für Generaloberst Schurbenko lautete: Niemand, nicht einmal er, der Zugang zu den Erkenntnissen militärischer und ziviler Geheimdienste hatte, wusste genau Bescheid. Das machte Pawel Kasakow zu einem sehr, sehr gefährlichen Mann und einem noch gefährlicheren Widersacher. Schurbenko hatte zu viele Kinder, Enkel, Datschen, Mätressen und ausländische Bankkonten, als dass er es hätte riskieren wollen, den Schlamm aufzurühren, um das herauszubekommen. Er wusste recht gut, dass Kasakow ihm alles wegnehmen konnte, wenn er wollte.
Als Kasakow die Frage nach seiner Mutter stellte, antwortete Schurbenko deshalb nervös: »Natürlich nicht, Pawel Gregorjewitsch«, und nahm einen großen Schluck Whiskey, um seine Nerven zu beruhigen. Als er wieder zu dem jungen Unternehmer hinübersah, hatte er den Eindruck, Kasakow mustere ihn unter halb gesenkten Lidern mit stechendem Schlangenblick. »Sie wissen so gut wie ich, Pawel Gregorjewitsch, dass die Armee sich nie ganz von unserem Debakel in Afghanistan erholt hat. Dort konnten wir nicht einmal eine Bande zerlumpter Ziegenhirten zur Räson bringen. Danach ist’s uns nicht gelungen, auch nur eine Rebellion in unserem eigenen Hinterhof niederzuschlagen, selbst wenn die Rebellen nur arbeitslose Proleten mit ein paar Schwarzmarktwaffen waren. Wilna, Tiflis, Baku, Duschanbe, Tiraspol, Kiew, Lemberg, zweimal Grosny … für jeden billigen Revolutionär stellt die einst gefürchtete Rote Armee kaum noch einen ernsthaften Gegner dar.«
»Sie haben zugelassen, dass diese albanischen Bauernlümmel meinen Vater wie ein Schwein abschlachten!«, sagte Kasakow aufgebracht. »Und was wollen Sie in dieser Sache unternehmen? Nichts! Was hat Interfax heute Morgen gemeldet? Die russische Regierung denkt daran, ihre Friedenstruppe aus dem Kosovo abzuziehen? Siebzehn unserer Soldaten werden von KBA-Marodeuren abgeschlachtet, und unsere Regierung will den Schwanz einziehen und weglaufen ? Ich hatte erwartet, dass sie eine Brigade Elitetruppen oder ein Geschwader Kampfhubschrauber entsenden und die Stützpunkte der Rebellen ausradieren würden!«
»Wir haben im Kosovo nur viertausend Mann stehen, Pawel Gregorjewitsch«, wandte Schurbenko ein.
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