Brown, Dale - Patrick McLanahan - 09 - Mann gegen Mann
Abhängigkeit vom Erdöl aus den Golfanrainerstaaten ist bedauerlich, aber dort sitzen verhältnismäßig preiswerte und zuverlässige Lieferanten …«
»Solange die Vereinigten Staaten den Frieden im Nahen Osten sichern«, unterbrach Filippow ihn. »Was ist, wenn sie von dort ebenso abziehen wie aus Europa? Der Ölpreis würde astronomische Höhen erreichen, und Versorgungssicherheit gäbe es keine mehr. Deutschland braucht eine sichere Ölversorgung – aber aus Europa, nicht aus dem Nahen Osten. Die Ölreserven am Kaspischen Meer könnten die Lösung sein. Das Problem ist nur: Wie viel wird die Türkei für Öltransporte durch Bosporus und Dardanellen verlangen, wenn der Ölpreis explodiert? Und wie wollen Sie Öl aus Asien bekommen? Über Syrien? Über Israel … wenn es in fünf Jahren überhaupt noch existiert? Werden Sie in der Türkei einmarschieren müssen, um wieder Öltransporte durch die Meerengen zu ermöglichen?«
In Berlin entstand eine längere Pause. Filippow wollte sich schon erkundigen, ob Schramm noch da sei, als der deutsche Außenminister schließlich fragte: »Der Angriff auf Albanien war also kein Vergeltungsschlag, sondern lediglich der Beginn eines Feldzugs mit dem Ziel, sich Land und Baurechte für diese Pipeline nach Westeuropa zu sichern?«
»Ich kann mich nicht weiter zu den Ereignissen von heute Morgen äußern«, wehrte Filippow ab. Das konnte er tatsächlich nicht – er hatte keine Ahnung, was passiert war, außer dass irgendwo in Makedonien ein AWACS-Flugzeug der NATO als rauchender Trümmerhaufen lag. Ein heimlicher Angriff auf Albanien, um sich die Rechte für den Bau einer Pipeline zu sichern? Kasakow war bestimmt verrückt genug, um etwas in dieser Art zu versuchen.
»Und was die Rechte für den Bau der Pipeline betrifft … wir wollen kein Blutvergießen. Wir hoffen, die betreffenden Regierungen in Südosteuropa davon überzeugen zu können, dass es zu ihrem Vorteil ist, sich an diesem wichtigen und lukrativen Projekt zu beteiligen.«
»Ja, ich verstehe«, sagte Schramm hölzern. Jeder konnte die eigentliche Bedeutung dieser Worte, die kaum verhüllte Drohung verstehen. »Darüber müssen wir noch eingehender sprechen, Herr Minister.«
Als Filippow das Telefon auflegte, fühlte er sich ausgepumpt und zittrig, als habe er eben einen Tausendmeterspurt hinter sich. »Was … zum Te u f el … geht hier vor?«, brüllte er seinen Sekretär an. »Was zum Teufel ist gerade passiert?«
»Wie ich die Sache verstanden habe, Iwan Iwanowitsch«, antwortete sein Sekretär lächelnd, »haben Sie eben ein Bündnis mit Deutschland zur Aufteilung des Balkans geschlossen.«
»Aber was ist mit Albanien?«, fragte Filippow. »Was ist in Albanien passiert?«
Der Sekretär zuckte mit den Schultern. »Spielt das jetzt noch eine Rolle, Iwan Iwanowitsch?«
3
Flugforschungszentrum N.J. Shukowski Bykowo bei Moskau
(einige Tage später)
»Halt, keine Bewegung! Dies ist eine Razzia! Niemand bewegt sich!«
Die Männer des uniformierten Speznas-Stoßtrupps drangen eine halbe Stunde nach Mitternacht ohne Vorwarnung und mit schussbereiten Maschinenpistolen ins Gebäude der Firma Metjor Aerospace ein. Sie besetzten rasch das Erdgeschoss des weitläufigen Gebäudes. Ihnen folgten Agenten der Glawnoje Raswediwatelnoje Uprwalenije (GRU), des Nachrichtendienstes des Generalstabs, die unter ihren langen Ledermänteln schusssichere Westen trugen und mit Pistolen bewaffnet waren.
Dr. Pjotr Fursenko und Pawel Kasakow saßen in Fursenkos Büro, als die GRU-Offiziere mit schussbereiten Waffen hereinstürmten. Kasakow nippte an einem Glas mit gutem spanischem Sherry und rauchte genießerisch eine Havanna; Fursenko trank nervös Unmengen von Kaffee und rauchte eine bittere ägyptische Zigarette nach der anderen. »Wie lange wolltet ihr uns noch warten lassen?«, fragte Kasakow lächelnd. Die Eindringlinge gaben keine Antwort, sondern packten die beiden Männer, rissen sie hoch und stießen sie vor sich her aus dem Büro und in den großen Hangar hinaus.
Dort standen von GRU-Offizieren in Zivil und uniformierten Speznas-Kommandosoldaten umgeben Sergeij Jejsk, der Sicherheitsberater Präsident Senkows, und Generaloberst Walerij Schurbenko, der Chef des Generalstabs. Fursenko starrte die beiden Männer sichtlich erschrocken an. Pavel Kasakow lächelte nur, während er erst Jejsk, dann Schurbenko direkt ins Gesicht sah.
Als Jejsk nickte, ließ der Offizier, der den Einsatz leitete, seine Männer die beiden
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