Brown, Dale - Patrick McLanahan - 09 - Mann gegen Mann
die dritte oder vierte Zeile der Notizen seines Sekretärs und bekam große Augen.
Dort stand einfach: Kasakows Erdöl ?
Er machte eine Pause, bevor er sagte: »Zum Beispiel zur Verringerung der Abhängigkeit Europas von Erdöleinfuhren aus dem Nahen Osten. Obwohl Russland zu den großen Ölexporteuren der Welt gehört, kauft Europa weniger als zehn Prozent seines Öls von uns. Deutschland bezieht weniger als zwanzig Prozent seines Öls von Russland – und dabei sind wir Nachbarn! Von einer Korrektur dieser Situation würden beide Volkswirtschaften gewaltig profitieren.«
»Ich denke, das wäre ein Thema für unsere Wirtschafts- und Energieminister, Herr Filippow …«
»Das ist auch ein außenpolitisches Thema, Herr Minister«, unterbrach Filippow ihn. »Wir wissen, warum Europa so wenig Öl aus Russland einführt – die neuere Geschichte hält manche Leute in Ost- und Westeuropa davon ab, eine engere Verbindung zu befürworten. Das ist verständlich. Aber denken Sie an die Ereignisse der jüngsten Zeit, Herr Schramm. Europa hat in Bezug auf langfristige wirtschaftliche Stabilität und militärische Sicherheit ganz auf die Vereinigten Staaten gesetzt, und nun scheint dieses Spiel verloren zu sein. Die Vereinigten Staaten brauchen Deutschland nicht mehr.
Russland wäre ein verlässlicherer Partner, Herr Minister. Russland besitzt natürliche Ressourcen, Rohstoffe, mehr als jeder andere Staat der Welt – auch Erdöl, riesige Vorkommen, die nicht einmal in zwei Generationen vollständig sondiert und erst recht nicht gefördert werden können. Allein die bekannten Reserven am Kaspischen Meer sind fünfmal größer als die am Persischen Golf, und dabei ist erst ein Viertel der dortigen Ölfelder ganz erforscht.«
»Aber Russland nutzt diese Reserven nur für sich selbst«, wandte Schramm ein. »Sie sprechen von der Erschließung Ihrer Ölfelder, aber Ihre Pipelines führen alle nur ins Inland, nach Samara oder Noworossijsk.«
»In der Tat, Herr Minister«, stimmte Filippow zu. »Aber eine russische Firma plant bereits, im kommenden Jahr mit Investitionen von über einer Milliarde Dollar eine Pipeline zwischen Schwarzem Meer und Adria zu bauen. Wir haben gewissen Einfluss in Bulgarien; Deutschland hat beträchtlichen Einfluss in Albanien. Verlassen die Vereinigten Staaten die NATO und ziehen aus Europa ab, wie es sich bereits abzeichnet, ist die Planung für einen US-Stützpunkt in Vlorë hinfällig, und Griechenland und die Türkei verlieren ihren großen Geldgeber und müssen in Zukunft sehen, wie sie allein zurechtkommen. Die Türkei wird dann Albanien und Makedonien sicher ihrem Schicksal überlassen.«
»Eine russische Ölgesellschaft soll eine Pipeline zwischen Schwarzem Meer und Adria bauen?«, fragte Schramm ungläubig. »Eine Privatfirma, nehme ich an? Die Gasprom baut nur Pipelines in Russland. Die LUKoil wollte eine Pipeline durch die Ukraine und Polen zur Ostsee bauen, aber ihre Investoren haben nach dem russischen Einfall in die Ukraine kalte Füße bekommen, und die Firma steht am Rand des Bankrotts. Dann bleibt nur …« In der folgenden kurzen Pause hörte Filippow ein leises unterdrücktes Glucksen. »Sie meinen doch nicht etwa Metjorgaz ? Pawel, den Playboy?«
»Ich darf vorerst noch nicht allzu viele Einzelheiten des Projekts preisgeben, Herr Minister«, wehrte Filippow ab. Er war verdammt überrascht gewesen, als Schramm von Metjorgaz, Kasakows Ölgesellschaft, die zugleich seine Drogengeschäfte tarnte, gesprochen hatte. Andererseits pflegte Deutschland enge Beziehungen zu Albanien und war überall auf dem Balkan stark vertreten. Deshalb würden die Deutschen über alle dort geplanten Großprojekte informiert sein. Und Kasakow war als Mafioso und Geschäftsmann so bekannt, dass sie bestimmt auf alles achteten, woran er beteiligt sein könnte. »Ich will nur so viel sagen: Russland hat sich darauf festgelegt, die Ölreserven am Kaspischen Meer zu erschließen und ganz Europa mit preiswertem Erdöl zu versorgen. Davon werden alle Beteiligten sehr profitieren. Russland ist dabei, sich von vielen Seiten Unterstützung für dieses gigantische Projekt zu sichern, und wir hoffen natürlich auch auf die Hilfe der führenden Industriestaaten der Europäischen Union.«
»Das klingt ja, als läsen Sie aus einem Verkaufsprospekt vor, Herr Filippow«, sagte Schramm mit einem nervösen kleinen Lachen. »Deutschland ist in der Tat stets auf der Suche nach zuverlässigen Energiequellen. Unsere
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