Brown, Dale - Phantomjäger
Empfänger standen sie weltweit in Sprechverbindung –selbst auf dieser winzigen Insel mitten im Indischen Ozean. »Freut mich, dass ihr’s geschafft habt. Mit Rebecca alles in Ordnung?«
»Ja, ihr fehlt nichts.«
»Gut. Der dortige Kommandeur will mit dir reden. Auch der Oberbefehlshaber der Luftwaffe und der Verteidigungsminister werden vermutlich bald anrufen.«
»Verstanden«, sagte Patrick. »Aber ich möchte, dass du mich erst mit zu Hause verbindest.«
»Mit zu Hause? Patrick, der Admiral will ...«
»Dave, du verbindest mich sofort mit meinem Sohn; das ist ein Befehl«, unterbrach Patrick ihn. »Ich muss Bradley hallo sagen.«
Am Ortsrand von Tabadkan, zwanzig Kilometer westlich von Andchwoy, an der afghanisch-turkmenischen Grenze
In derselben Nacht
Auch nach der Einsetzung einer neuen Regierung in Kabul waren die Grenzübergänge auf afghanischer Seite nicht allzu gut bemannt – selbst an den größeren Straßen stand meistens nur ein kleines Abfertigungsgebäude mit einem Schlagbaum, der die eigentliche Grenze markierte. Eindringlinge benutzten ohnehin nie die Grenzübergänge; niemand wollte Afghanistan besuchen, und der Staat wollte bestimmt niemanden daran hindern, das Land zu verlassen – wozu brauchte Afghanistan also bewachte Grenzübergänge?
Jenseits der Grenze sah es jedoch anders aus. Keiner der Nachbarn Afghanistans wollte, dass Flüchtlinge oder mutmaßliche Terroristen ungehindert ins Land kamen, deshalb waren die Grenzübergänge auf ihrer Seite im Allgemeinen stark besetzt und bewaffnet. So hielt es auch die Republik Turkmenistan.
Tabadkan war typisch für fast alle turkmenischen Grenzübergänge: eine kleine, aber schwer befestigte Grenzstation mit mehreren Nebengebäuden, einem großen Zeltlager für die Mannschaften, einem Wohncontainer für die Offiziere, einem Versorgungshof mit Diesel- und Wassertanks ... und einem Gefangenenlager. Die Republik Turkmenistan wies routinemäßig jeden ab – Flüchtlinge ebenso wie reiche Leute, das machte keinen Unterschied –, der kein Visum, Empfehlungsschreiben oder keine Unterlagen des staatlichen turkmenischen Reisebüros vorlegen konnte; wer jedoch ohne Pass oder gültige Papiere aufgegriffen wurde, blieb an der Grenze in Haft, bis seine Identität geklärt werden konnte. Die afghanische Regierung schickte im Allgemeinen einmal pro Woche Beamte zur Grenze, damit sie mithalfen, ihre Bürger zu identifizieren und aus turkmenischer Haft freizubekommen, aber bei schlechtem Wetter – oder aus vielen anderen Gründen – verging oft ein Monat oder mehr, ohne dass jemand diesen abgelegenen Außenposten aufsuchte.
So war es auch jetzt: Das Gefangenenlager war mit fast hundert Häftlingen weit über seine Kapazität hinaus belegt. Frauen und Jungen unter zehn Jahren waren im überdachten Teil des Lagers untergebracht und wurden im Allgemeinen gut behandelt; ältere Jungen und die Männer befanden sich in einem Wind und Wetter ausgesetzten Bereich. Jeder Mann bekam zwei Decken und einen Blechbecher; vier Eimer mit einem Brei aus Bohnen und Reis und vier Eimer Wasser waren die gesamte Tagesration für ungefähr sechzig Mann. Abwechselnd wärmten die Männer sich an einem Becken, in dem unter einem Vorhang aus Tierhäuten ein Torffeuer gloste, an dem die glücklichen unter ihnen gefangene Sandratten, Springmäuse, Schlangen oder Sandkrokodile braten und verzehren konnten.
Das alles beobachtete Zarazi durch sein Fernglas von einer relativ sicheren Sanddüne ungefähr einen Kilometer östlich des Grenzübergangs aus. Der Wind heulte jetzt mit mindestens sechzig Stundenkilometern und trug Sand mit sich, der ungeschützte Gesichter wie feines Sandpapier abschmirgelte. »Diese Hundesöhne«, knurrte er. »Sie haben mehrere Dutzend unserer Leute wie Tiere eingesperrt.« Er überließ das Fernglas auch seinem Stellvertreter Jalaluddin Turabi. In der Tat schienen viele der Häftlinge Taliban-Kämpfer zu sein, obwohl sich das aus dieser Entfernung und wegen des vom Wind aufgewirbelten Sandes schwer beurteilen ließ.
»Heute Nacht sind keine Patrouillen unterwegs«, sagte Zarazi zu Turabi, der neben ihm im Sand ausgestreckt lag und sein Kopftuch so über Mund und Nase gezogen hatte, dass nur ein schmaler Sehschlitz frei blieb. »Wir könnten’s tatsächlich schaffen, Jala.«
»Wir können diesen Posten leicht umgehen, Wakil«, meinte Turabi besorgt. »Unsere Vorräte reichen noch für zwei bis drei Tage – Zeit genug, Jusof Mirzoi zu erreichen
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