Brown, Dale - Phantomjäger
aber doch, und er nutzte diesen Augenblick, um sie genauer zu betrachten. Rebecca war natürlich älter geworden – genau wie er. Sie war groß, noch immer sportlich schlank und mit weiblichen Rundungen, die keine Fliegerkombi – wie McLanahans war ihre verknittert und abgetragen – verbergen konnte. Ihr braunes Haar, das früher reichlich schulterlang gewesen war, trug sie jetzt kürzer; es war dunkler, als er es in Erinnerung hatte, und von einzelnen Silberfäden durchzogen, aber aus ihren mandelförmigen Augen blitzte noch immer die alte Energie.
»Hallo, Oberst«, sagte sie einfach. Ihre Aussprache war präzise, ihr Tonfall, mit dem sie ihn siezte, nüchtern und unpersönlich. Im Dienst war Rebecca Furness immer streng sachlich gewesen, würde es vermutlich immer sein. »Hoffentlich stört es Sie nicht, dass ich Ihr Dienstzimmer benutze.
Unser hiesiges Raumangebot ist nicht gerade überwältigend.«
»Hallo, Rebecca. Das nenne ich eine Überraschung.« Daren streckte ihr die Hand hin, die sie mit kräftigem Druck ergriff.
Auch dieser Händedruck blieb sachlich. Früher hatte sie den Spitznamen »Eiserne Jungfrau« gehabt – vielleicht hatte sie ihn noch, das wusste er nicht –, weil sie gegenüber allem und jedermann kühle Sachlichkeit an den Tag legte. Trotzdem kannten sie sich gut, hatten sogar eine »Affäre« gehabt, wenn man so wollte. Aber er konnte sich aus der kurzen Zeit, in der sie zusammen gewesen waren, nur an einige wenige zärtliche Augenblicke erinnern.
Mace überraschte sich selbst, indem er sie leicht zu sich heranzog und den Händedruck in eine freundschaftliche Umarmung verwandelte. Auf dem Fußboden zwischen ihnen stand eine Helmtasche oder etwas in dieser Art, sodass er sich unbeholfen nach vorn beugen musste, um Rebecca umarmen zu können. Er hatte nur eine lässige Umarmung zweier alter Freunde im Sinn, bei der es nicht darauf ankam, ob etwas auf dem Boden zwischen ihnen stand ...
... aber dieser Gedanke verblasste rasch, als aus der lässigen eine innige Umarmung wurde, die zu einem leidenschaftlichen Kuss führte, wie Daren ihn schon lange nicht mehr genossen hatte.
Alles endete jedoch so schnell, wie es begonnen hatte.
Daren spürte, wie ihr Körper und ihre Lippen sich versteiften, und wusste, dass ihre private kleine Wiedersehensfeier vorüber war. Er trat zwei Schritte zurück und betrachtete ihr Gesicht. Es trug wieder seinen geschäftsmäßigen Ausdruck, aber auch als er genau hinsah, konnte er keine Spur von Verärgerung entdecken – leichte Verwirrtheit, bestimmt keine Freude, aber auch keine Zurückweisung. Sie schien die reine Spontaneität dieses Kusses zu akzeptieren, gestattete sich, ihn einen Augenblick lang zu genießen, und verdrängte ihn dann aus ihrem Bewusstsein.
»Willkommen in Battle Mountain, Daren«, sagte sie, als falle ihr nichts anderes ein, um die verlegene Pause zu überbrücken. Sie deutete auf das Sofa an der Rückwand des Raums; er nahm darauf Platz und nickte dankend, als sie ihm eine Flasche Mineralwasser hinstellte, die sie aus dem kleinen Kühlschrank holte, bevor sie sich in einen der Sessel auf der anderen Seite des Couchtischs setzte. »Hast du dich schon ein bisschen eingewöhnt?«
»Rebecca, dieser Besuch im Donatella’s ...«
»Schon in Ordnung. Du bist erwachsen – zumindest nach Lebensjahren –, und der Laden ist nicht off limits.« »Ich war vorher noch nie in einem Bordell.«
»Hat’s Spaß gemacht?«
»Ich hab nichts gemacht.«
»Schon gut, Daren.«
»Ich hab nichts gemacht!«
»Okay, okay«, sagte Rebecca. Seine Verlegenheit brachte sie unwillkürlich zum Lächeln, und sie spürten beide, wie die Spannung zwischen ihnen allmählich schwand. »Du siehst gut aus, Daren. Echt großartig. Klasse, finde ich.«
»Danke.«
»Du hängst wohl nicht mehr in Biker Bars herum?« »Ab und zu fahre ich mal zu einer«, sagte er. »Du weißt schon, die Midlife-Crisis – da muss man einfach eine Harley haben. Aber Bier und Pizza sind gestrichen. Meine Cholesterin- und Blutdruckwerte haben sich ein Wettrennen geliefert, um zu sehen, wer mich zuerst umbringen kann.« Rebecca nickte lächelnd. »Und du siehst wie immer wundervoll aus. Die kürzere Frisur gefällt mir auch.« Darauf folgte die nächste von zahlreichen verlegenen Pausen. »Glückwunsch zu deinem ersten Stern«, fügte Daren rasch hinzu. »Du hast ihn verdient, das steht fest.«
»Danke.«
Die verlegene Pause Nummer drei. Ein Glück, dass man zwischendurch einen
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